Neue Littérature engagée
Während die großen Liebesgeschichten heterosexueller Autoren wie Denkmäler im öffentlichen Raum erscheinen, ist die Liebe von Lesben und Schwulen Privatsache. Jede Abweichung von der Romeo & Julia-Konstellation unterliegt einem Sanktionskanon. Gesellschaftlich korrigiert wird so auch die humane Konstante der Latenz. Das läuft auf Vereitlungen neuer Selbstverständlichkeiten hinaus. Das sagte Murathan Mungan in seiner Eröffnungsrede des Queer*East Festivals und machte so noch einmal klar, dass Literatur im LGBT-Kontext stets eine aktivistische Ladung enthält.
Um das Verhältnis von Aktivismus und Literatur ging es ab 14.30 h im Konferenzraum des Literarischen Colloquiums Berlin. An der Diskussion teil nahmen u.a. Zsófia Bán (Ungarn), Ebru Nihan Celkan (Türkei), Jacek Dehnel (Polen), Marie Feryna (Tschechien), David Gabunia (Georgien), Uladzislaŭ Ivanoŭ (Weissrussland) und Karol Radziszewski (Polen) und Johannes Kram (Deutschland). Gabunia erklärte, das queere Autor*innen bis vor Kurzem in Georgien überhaupt nicht publiziert wurden. Allein der Aktivismus habe die Verhältnisse in dem „homophoben Land“ aufgebrochen.
„Heute bezeichne ich mich als Aktivist. Vor zehn Jahren wollte ich von Aktivismus nichts wissen.“
Jede Verbesserung sei ein Kampfresultat.
Queere Literatur ist Aktivismus. Diese Gleichsetzung nahm Uladzislaŭ Ivanoŭ vor. In Ivanoŭs Heimat sind LGBT-Texte „revolutionäre Akte“. Der weissrussische Autor sprach von einer neuen Littérature engagée.
Zsófia Bán berichtete von offensiver Ausgrenzung und ökonomischer Zensur in Ungarn, auch da wo queer topics künstlerisch wertvoll umschifft werden. Jede Schreiberin habe ihre eigene Strategie, in einer Gesellschaft, die Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender als „non-members of the polis“ abfertigt.
Johannes Kram stellte fest: „Der Kontext macht die Aktivistin. Wenn die Gesellschaft dich angreift, kommt der Aktivismus automatisch.“
Viele Delegierte kamen wie die Spione aus der Kälte. Zugleich referierten sie den Stand der Dinge in heißen Zonen, wo alle unter Druck gesetzt werden, einschließlich der Angehörigen von LSBT-Autor*innen.
Wird fortgesetzt.