Arta Ramadani hat eine unmittelbar einleuchtende Art, sich mitzuteilen. Die Schriftstellerin und ZDF-Redakteurin kämpft für eine faire Welt.
Sie stammt aus einer Familie von Widerstandskämpfern. Ein Urgroßvater wurde wegen einer militant abweichenden Auffassung von den Staatszielen standrechtlich erschossen. Ein Großvater und der Vater gingen für ihre Überzeugungen ins Gefängnis.
„Meine Familie hat mit vielen Traditionen gebrochen“, sagt die Autorin an einem Sommernachmittag vor der Berliner Volksbühne. Sie beschreibt ihren Vater als Rebellen, stark in seinen Überzeugungen und sanft in ihren Darstellungen. Er habe auch der Tochter beigebracht, auf eine sanfte Weise energisch zu sein. Ramadanis Formulierung flippt: „Soft tough zu sein.“
So überlebt man als Dissident in robusten Regimen. Ramadani (Jahrgang 1981) stammt aus Prishtina, der Hauptstadt des Kosovo, so wie die Heldin ihres ersten Romans – einer Madonna Hörigen. Halb verschossen in Onkel Agim, der sie auf die Spur ihrer musikalischen Vorlieben setzt. Ein großes Kind in den Neunzehnhundertneunzigern, das „der Oma beim Weinen hilft“ und seine Stadt im Belagerungszustand erlebt. Serbische Polizisten kontrollieren die Bürger mitunter nur aus Langeweile oder um Frauen wie Eras Mutter einen Flirt aufzuzwingen. Era erkennt und beschreibt naiv Haltungsschäden: verursacht von der Duldungsstarre Unterworfener. Die Familie wandert schweren Herzens nach Berlin aus und landet in einem Kreuzberger Flüchtlingsheim.
„Das war bei uns aber anders“, erklärt Ramadani einen gravierenden Unterschied zwischen Roman und Wirklichkeit.
„Erstens sind wir nicht in Berlin, sondern in Mannheim gelandet. Und zweitens galt Deutschland in meiner Familie als Musterdemokratie und Hort eines guten Fortschritts. Ich habe mich auf den Umzug gefreut und meine Eltern auch.“
Immerhin gab es den wunderbaren Welterklärer in der Verwandtschaft, der im Roman Onkel Agim heißt. Von ihm lernte Ramadani, dass im Kosovo die Nation über der Religion steht. Drei Konfessionen existieren in spannungsarmer Koexistenz. Für Era ist Madonna „so jemand wie der liebe Gott für Oma“.
Ramadanis Eltern sind Atheisten. Ihre Integration vollzieht sich in reibungslosen Abläufen. Nach der Inspektion des unvermeidlichen Flüchtlingsheim und einem Stopover am sozialen Rand von Mannheim erreichen die Ramadanis ein bürgerliches Quartier. Der Vater findet als Heil- und Sozialarbeiter Anschluss in der ersten Liga. Er engagiert sich.
Die Mutter leitet die albanische Schule in Mannheim gleichsam vom Tag der Ankunft in Deutschland.
„Bei uns daheim drehte sich stets alles um Bildung und Selbstbestimmung, während konventionelle Lebensentwürfe und Rollenerwartungen kritisch betrachtet wurden. Ich wäre meinen Eltern als alleinstehende Mutter willkommen gewesen, aber nicht als Schulabbrecherin.“
Ramadani musste sich nicht emanzipieren, sondern bewähren, indem sie den hohen Emanzipationsstandard der Eltern nicht unterschritt. Eine Weile studierte sie in Amerika. Heute arbeitet sie als ZDF-Redakteurin.
Zum Schluss sagt sie: „Es ist schade, dass die Medien so sehr auf migrantische Problemfälle anspringen. Ist es nicht schön zu sehen, dass es auch Migrantinnen wie mich gibt? Denen das Leben gelingt. Ich möchte Mädchen aus muslimischen Familien dazu inspirieren, an sich zu glauben und ihren Weg konsequent selbstbestimmt zu gehen.“