Wie radikal sich das akute Jetzt von der erweiterten Gegenwart im weißen Westen der Welt unterscheidet, belegt ein Tagebucheintrag von Helen Fieldings Heldin Bridget Jones, dessen Fiktionalität die Realität vollkommen abbildet. Jones dokumentiert einen von „Saturday Night Fever“ ausgelösten Wutausbruch.
„Das war der sexistischste, grauenhafteste, widerlichste Film, den ich je gesehen habe … Wenn John Travolta so was heute machen würde, würde er nie wieder einen Film machen.“
So ist es. – Und wie unvorhersehbar war das 1977, als der Film in die Kinos kam und dem Hauptdarsteller neben Weltruhm eine Oscar-Nominierung bescherte. Vierzig Jahre später ist die popkulturell lackierte Sozialkritik im Film unlesbar geworden, obwohl der Soundtrack noch immer grünt. Die Dechiffrierung des von Travolta verkörperten Hobbytänzers Tony Manero führt zu nichts mehr. Sein Charakter ist egal, wo er nicht abstoßend erscheint. Travolta liefert als Manero ein Beispiel für Machoschrott. Stellt man sich eine Umgebung vor, in der seine Weltsicht Gültigkeit besitzt, ergibt sich zwanglos ein Trailerpark Szenario. Heute wäre Manero kein steilgehender Kleinbürger mehr, dem die Türen aufgehalten werden, weil er eine Vorstadtstilikone ist, sondern ein Marginalisierter, dem keine Türsteherin Zutritt gewähren würde.
Scarlett Curtis (Hrsg.), „The future is female! - Was Frauen über Feminismus denken“, Goldmann, 408 Seiten, 9.99,-
Ganz anders sieht die Welt in den Augen von Tapiwa H. Maoni aus. Die Autorin schildert afrikanische Verhältnisse, die offene Diskriminierung von Frauen und Mädchen perpetuieren. Sie schreibt: „Für mich bedeutet Feminismus, dass ich etwas wert bin.“
Nimco Ali ist eine Aktivistin gegen Female Genital Mutilation. Sie schildert das Traditionsgatter, in dem solche Verstümmelungen gesellschaftliche Praxis und normgerechtes Verhalten sind. Alis erste aktivistische Aktion war ein Banner mit der Aufschrift #FingerwegvonmeinerMuschi.
Zwischen Fielding und Ali spannt sich der Horizont eines Kampfes auf, dessen Schockwellen längst einen Tsunami der Veränderungen in Gang gesetzt haben. #MeToo hat mehr Männer von der Macht getrennt als jede Kampagne zuvor. Die global-virale Twitter-Solidarität rasiert Kunst- und Kulturbegriffe. Wir erleben eine Kulturrevolution. Es geht kein Nabokov, kein Polanski und kein Bukowski mehr. Kann sich jemand Claude-Oliver Rudolph 2018 in einer Hauptrolle vorstellen? Es wird Jahre dauern, bis die Allgemeinplätze der Feuilletonopportunisten wieder einen festen Grund haben werden. Bis dahin rollen Köpfe.
Keira Knightley beschreibt die Geburt ihrer Tochter als Exzess.
„Meine Vagina riss auf … Ich erinnere mich an die Scheiße, die Kotze, das Blut, das Genähtwerden. Ich erinnere mich an mein Schlachtfeld.“
Toxisch findet Jameela Jamil die männliche Perspektive, in die Jungen mit Pornografie und Gruppenzwängen nach wie vor hineinrekrutiert werden.
Alison Sudols behauptet:
„Jetzt sind wir an der Reihe die Welt zu verändern.“
Amani Al-Khatahtbeh postuliert:
„Hört auf, Männer so wichtig zu nehmen.“
Das Wort als Waffe ersetzt Armeen. Der Hashtag ist die Kalaschnikow der Netzzeit. The future is female. Zu den Autorinnen, die in „Was Frauen über Feminismus denken“ zu Wort kommen, zählen Emma Watson, Keira Knightley, Saoirse Ronan, Dolly Alderton, Jameela Jamil, Kat Dennings, Rhyannon Styles, Katrin Bauerfeind, Karla Paul, Tijen Onaran, Fränzi Kühne, Milena Glimbovski und Stefanie Lohaus.