„Griff und Liv Adamsons riesiger hellroter Porsche Cayenne“ taucht auf wie ein Blauwal auf der Landstraße. Beas Eltern haben diese gewaltigen Boomer:innenegos. Sie sind high vom schieren Dasein. Das Leben ist Musik in ihren Ohren. Auf ihren Überholspuren verbrennen sie jede Menge fossiler Brennstoffe zu Kohlendioxid.
„C.G. Jung begründete mit Jean Gebser die Vorstellung, dass die ersten Menschen in Ekstase badeten, und dass dieser transzendente Sinneszustand der wahre und natürliche sei.“
Sie konsternieren den Nachwuchs. Die Postboomer:innen aalen sich in Suhlen des Zweifels. Definitiv sind das keine Raketen, die durch die Decke gehen, so wie die Boosterboomer:innen in ihrem ewigen Summer of Love.
Liv und Griff reißen sofort alles an sich. Die alten Raubtiere zerreißen Bea, Alex und Dan in der Luft.
Bea & Dan - Beatrice Adamson & Daniel Durrant - “It's a book about a young couple ... she comes from a ... wealthy family, he comes from poverty.” Sadie Jones
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„Aus Liebe duldete (Dan) die ganzen Taschen und Schachteln mit Verpackungsmaterial, die in der Wohnung herumstanden.“
Sadie Jones, „Die Skrupellosen“, Roman, aus dem Englischen von Wibke Kuhn, Penguin Verlag, 22,-
Sie ist reich, zieht es aber vor, in einer Art Geldzölibat zu existieren. Unbefangene Beobachterinnen könnten Beas Style prätentiöser finden als jede Catwalk-Performance. Auch ihr Mann leidet unter Schmerzen aus dem Fundus der ethischen Weltauffassung. Der halb verhinderte Maler makelt Immobilien auf einem der teuersten Plätze der Welt. Seine Kund:innen sind Spekulant:innen. Dan verachtet die Haie der Großstadt.
Alltägliche Belastungszone
Ständig bleibt Dan hinter seinen moralischen Ansprüchen zurück. Er genügt auch nicht seinem künstlerischen Selbstverständnis. Als ein Produkt Londoner Armut kontrastiert er die von allen möglichen zufälligen Schicksalsanwehungen bis zur Selbstauflösung bekümmerte Bea.
Das Paar beschließt, sich temporär aus der alltäglichen Belastungszone zurückzuziehen. Es legt sich einen kontinental ausgelegten Peugeot* zu und steuert Calais an.
* Das klappernde und rappelnde Fahrzeug hatte „hundertzehntausend Kilometer auf dem Tacho und manuelle Schaltung. Das Auto war größtenteils blau, nur die Motorhaube war mattschwarz“.
„Der Wind blies und pfiff, und die heiße Sonne buk das schwarze Plastik des Armaturenbretts.“
Bea gibt die kompetente Co-Pilotin mit der Landkarte auf dem Schoss.
Beatrice, kurz Bea, negiert ihre Herkunft. Die Prinzessin aus angelsächsischem Geldadel erschöpft sich in der (fürsorglich interpretierten) Rolle einer Psychoanalytikerin (in einer Beratungsstelle in Stamford Hill). Den prekären Existenzen ihrer Klientel schenkt sie so viel Aufmerksamkeit, dass man den Aufwand degoutant finden kann. Ständig ist Bea am Helfen. Sogar in der Mittagspause; in einem Gebrauchtwarenladen an der Holloway Road Station (London Borough of Islington) bewahrt sie eine überforderte Mutter vor sich selbst.
Die Frau, sie heißt Emma, argumentiert mit einem Messer in der Hand. Bea übertrifft sich mit einem Mix aus Deeskalation und Moderation. Zuhause wartet ein erschöpfter Möchtegernmaler. Nein, Dan ist ein richtiger Künstler, der sein Geld in der Immobilienbranche verdient.
Sadie Jones erzählt, wie sich Bea und Dan zum ersten Mal begegneten: in einem fabelhaften Art goes Clubbing-Moment im Bussey Building. Dan trat als ausstellender Künstler auf; ein schöner junger Mann direkt aus der Nachbarschaft von Peckham.
Aus der Ankündigung
Familiengeheimnisse können tödlich sein – der neue große Roman von Sadie Jones
Dan ahnt nicht, wie millionenschwer die Familie seiner Frau Bea ist. Das junge Paar lebt bescheiden in einem kleinen Apartment in London. Um der Enge zu entfliehen, nehmen sich die beiden eine Auszeit. Ihre Reise durch Europa führt sie zuerst zu Beas Bruder nach Burgund. Gerade bei Alex angekommen, kündigen sich zu Beas Entsetzen die Eltern Adamson zu einem Überraschungsbesuch an. Plötzlich wird Dan klar, dass er ein ganz anderes Leben führen könnte – warum nur distanziert sich Bea so sehr von ihrer Familie und deren Reichtum? Als ein Mord geschieht, bricht das jahrelange Schweigen auf, und weder Bea noch Dan können der Wahrheit mit ihren furchtbaren Konsequenzen entfliehen …
Mit feinem Gespür erzählt Sadie Jones davon, wie schwer es ist, den Verlockungen des Geldes zu widerstehen – soghaft und atemberaubend spannend.
»›Die Skrupellosen‹ ist ein beängstigender Roman über die zerstörerische Kraft von Geld und Macht; so spannend und beklemmend wie die Bücher von Ian McEwan.« The New York Times Book Review
»Famos und in immer wieder überraschenden Wendungen weiß sie Spannung zu entwickeln, bis sich Verdrängtes und Unterschwelliges hin zur Katastrophe verselbstständigt.« WAZ Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Ulrich Steinmetzger (15. Mai 2021)