Der Autor beschreibt Ulrike Meinhof und Klaus Rainer Röhl als „linkes Erfolgspaar mit Eigenheim und Urlaubsreisen nach Sylt.“
Demnächst flippt die Republik aus. Eine bleierne Zeit liegt in den letzten Zügen. Die Adenauer-Restauration hat ausgedient. Die Ehe der Premium-Kolumnistin Meinhof und des hanseatisch-smarten Publizisten Röhl verröchelt in Hamburger Schaufenstern, als Stefan Aust vom Schülerzeitungsschreiber zum konkret-Redakteur aufsteigt.
Er vergreift sich an einem Lehrer und bringt sich so um sein Abitur. Reinhard Aust wandert aus und beweist in der Neuen Welt ein abenteuerliches Herz und Bärenkräfte. Er schlägt sich als Trapper und Cowboy durch. Sein Vater, ein Entrepreneur von eigenen Gnaden, der vom Postkartenproduzenten zum Reeder aufstieg und sich im feinsten Hamburger Quartier, namentlich am „Elbabhang von Blankenese“, etablierte, ruft den verlorenen Sohn lange vergeblich zur Ordnung im heimischen Revier. Als Reinhard den familiären Sirenengesängen schließlich erliegt, erfasst ihn der Krieg, kaum das er 1939 deutschen Boden betreten hat. Er nimmt am Polenfeldzug teil und berichtet davon im Plauderton, so dass die Angehörigen nach seinem Tod nicht wissen, ob er ein Fallschirmjäger mit spezieller Killerkompetenz war oder ein Befehlsverweigerer in Gewissensnot.
Stefan Aust, „Zeitreise – die Autobiografie“, Piper, 26,-
Im Februar 1962 erlebt Stefan Aust bei der großen Sturmflut auf dem von seinen Eltern bewirtschafteten Stader Hof Land unter. Im selben Jahr geht die Spiegel Affäre über die Bühne. Ein Atomkrieg rückt in greifbare Nähe. Den Schüler Stefan unterrichten ehemalige Wehrmachtsoffiziere, darunter der Ritterkreuzträger Werner Ebeling, der 1956 bei der Bundeswehr einsteigen und als General in den Ruhestand gehen wird. Mit dem Hochdekorierten verbindet Stefan eine Ohrfeige, die der Neunjährige dem Lehrer verpasst, ohne eine Retourkutsche hinnehmen zu müssen. Die Schelle bleibt Jahrzehnte ein Thema zwischen Aust und Ebeling, der noch mit neunzig den Kontakt hält.
Nach dem Tod des reichen Opas verschleudert Stefans Vater sein Erbe in eskapistischen Unternehmungen. Er legt sich Pferde zu, die - mit großem Schauwert - in Wildwestmanier eingeritten werden. Stefan und seine Geschwister halten sich gut im Sattel. Bis eben dachte ich, die Reiterei sei das herrschaftliche Hobby eines avancierten Journalisten. Tatsächlich gehört es zu Austs Kraut- & Rüben-Jugend. Im nächsten Augenblick arbeitet Aust für konkret und hat ständig mit Ulrike Meinhof zu tun. Er fliegt von Hamburg nach Berlin, wo er der APO-Chefs Christian Semler, Bahman Nirumand und Peter Schneider kennenlernt.
Jetzt geht es los, das Superding zwischen Journalismus, Highlife, Sex und politischer Radikalität. Aust bekennt gleichsam postum, bei Weitem nicht so links gewesen zu sein wie andere. Doch spielt das keine Rolle in den Sechzigerjahren. Der Sturm des Aufbruchs reißt den Debütanten mit.
„Meine politische Abstinenz war Ulrike Meinhof nicht verborgen geblieben, und sie meinte in manchen Redaktionsgesprächen ganz von oben herab: Du bist einfach unpolitisch.“
Gleich mehr.
Aus der Ankündigung
Es gibt wenig Menschen, die bei großen zeitgeschichtlichen Ereignissen und Entwicklungen der letzten Jahrzehnte so oft mittendrin waren, wie Stefan Aust. Seine vorliegende Autobiografie ist auch ein Rückblick auf seine journalistische Arbeit, hier folgt man nicht nur den Stationen eines ereignisreichen Lebens, sondern erhält auch tiefere Einblicke in seine Recherchen. So entsteht ein Panorama bundesdeutscher und internationaler Politik; es ist zugleich Zeitzeugnis, Hintergrundbericht und die Abenteuergeschichte eines hoch spannenden Lebens.
„Es wurde mir von Tag zu Tag deutlicher bewusst, welches Privileg es war, als ›so eine Art Journalist‹, wie ich immer gern gesagt hatte, am Straßenrand der Geschichte zu stehen.“