„Herrgott sind die Leute kleinbürgerlich. Wenn die Universität nicht wäre, würde ich besser tun, meine Hütte im Urwald aufzuschlagen.“ Ré Soupault 1951 über die Baseler Bürger:innen.
Jahrzehnte führt sie ein Leben zwischen Avantgarde und Jetset. Geschult am Funktionsschick des Bauhauses, schöpft sie Mode im Stil der Neuen Sachlichkeit, während sie im räumlichen und geistigen Zentrum des surrealistischen Klimax verschiedene Rollen spielt. Ré Soupault (1901 - 1996) zieht in der Grandiosität ihrer erweiterten Jugend epochale Gestalter:innen an. In Paris verbindet sie sich mit Phillipe Soupault. Wäre der Renault-Erbe weniger distinguiert und stattdessen more competitive, würde André Breton seine Vorrechte weniger selbstgewiss beanspruchen. Der II. Weltkrieg reißt Ré Soupault von ihren Ankern. Bis weit in die 1950er Jahre hinein führt sie die Mansardenexistenz einer Entwurzelten, ohne ihren Mann, der erotisch außerhalb der Ehe Fuß fasst; auch wenn er sich ab und zu besinnt und seine Zuneigung per Post in Karat angibt.
„Philippe hat mir den entzückendsten Halsschmuck geschickt, und ich frage mich, wann ich einmal Gelegenheit haben werde, ihn zu tragen.“
Ré Soupault – »Es war höchste Zeit …« Eine Avantgardekünstlerin in Basel 1948 bis 1958, Ausstellungskatalog, herausgegeben von Manfred Metzner und Martina Kuoni, Verlag Das Wunderhorn, 176 Seiten, 22,-
Zehn Jahre verbringt Ré Soupault in Basel als Versprengte; abgelöst von allen Vorkriegsselbstverständlichkeiten, dabei bodenpommerisch und unverzagt. Tatsächlich muss sie für sich selbst aufkommen. Geld verdient sie mit Übersetzungen für die Büchergilde Gutenberg. Hauptsächlich beschäftigt sie das Werk von Romain Rolland, dessen Witwe den Weg des Nachlasses in die Öffentlichkeit mit den Pollern ihrer Einwände pflastert.
Erst 1953 gelingt der Verarmten die Überwindung der Untermiete als Daseinsform. Sie bezieht eine Wohnung am Nadelberg. Die Verbesserung weitet sie. In den neuen Verhältnissen übersetzt Ré Soupault Comte de Lautréamonts (Isidore Ducasses) Gesänge des Maldoror ohne Auftrag. Den auszehrenden Akt nennt sie „die wichtigste Leistung ihres Lebens“. Die Gothic-Punkpoesie voller „syntaktischer Akrobatik“ erzeugt im Rahmen einer prekären Isolation und in den Stimmungen alemannisch-altstädtischer Einfalt zweifellos furiose Nachbilder. Lautréamont wollte als Schocker erlebt werden: „Natürlich habe ich die Register ein wenig übertrieben gezogen, um etwas Neues im Sinne einer erhabenen Literatur zu erschaffen, die die Verzweiflung nur besingt, um den Leser zu bedrücken.“