Für Ifemelu unterscheidet sich Princeton von anderen amerikanischen Orten mit Markencharakter in einer besonders angenehmen Weise. Der Nigerianerin gefallen die „maßvoll überteuerten Geschäfte“. Den Campus findet sie „gravitätisch vor Gelehrsamkeit“. Sie erlebt Princeton als ein Schauplatz „wohlhabender Ungezwungenheit“.
Chimamanda Ngozi Adichie, „Americanah“, Roman, übersetzt von Anette Grube, S. Fischer Verlag, 864 Seiten, 15,-
Der Roman fädelt sich in Chimamanda Ngozi Adichies feministischer Großerzählung ein. Das Projekt erzeugt einen grandiosen Widerspruch zu der landläufigen Vorstellung, Feminismus sei „unafrikanisch“.
Ifemelu pflegt einen Blog, auf dem sie Zufallsbegegnungen auf den Allgemeinplätzen des Common Sense ausschlachtet. Ein weißer Social Justice Warrior erläutert ihr den Vorrang der Klassenfrage.
„Rasse wird total überschätzt“, behauptet er.
Ifemelu beobachtet Durchmärsche schlanker Weißer „in den Bahnhöfen von Manhattan“ - und Straßenszenen mit einer wachsenden Zahl dicker Schwarzer, je weiter sie die Brooklyner Zwiebel schält. Ifemelu weiß, dass „dick“ keine passende Bezeichnung in den Vereinigten Staaten ist, auch nicht für Dicke. Sie selbst begreift sich ohne einen sprachlichen Ausweg als dick.
Auf dem brüchigen Podest der Zuneigung, die Blaine für sie empfindet, versucht Ifemelu, sich attraktiv zu fühlen. Interessanterweise subsumiert sie ihren Beziehungsstatus unter die soziale Solvenz zwischen Studium und dem Zuspruch für ihren Blogaktivismus.
Ifemelu hat die Maximen der Leistungsgesellschaft verinnerlicht.
Die Jahre mit Blaine erscheinen ihr „wie ein glattgebügeltes Laken“. Sie enden gerade im Ringen um die richtigen Schlussformulierungen.
Troublesomeness
In Ifemelus erster Heimat Lagos spinnt Obinze einen Sehnsuchtsfaden weiter. Da glimmt eine lange Lunte zwischen der Expatriierten und dem Edelstrohmann; verheiratet nun, und Vater längst auch.
Obinze war Ifemelus bester Liebhaber. Er überzeugt auch die Zunft mafiös-nigerianischer Macher:innen. Allein seine Schwester findet ihn zu weichherzig. Sie akzeptiert ihren Bruder nicht als Partner.
„Ich brauche jemanden mit gra-gra.“
Was ist das denn?
Google bietet mir troublesomeness und stubbornness als Synonyme an. Das heißt wohl, Obinzes Schwester glaubt nicht auf einen Kompagnon verzichten zu können, dem man die Rolle eines Prinzen aus Eisen abnimmt.
Wohnzimmervorträge
Adichie erzählt Obinzes Geschichte. Obinze verdankt seinen Erfolg einem Geck, der sich Chief nennen lässt. Der Mann hält gern Wohnzimmervorträge. In der Rolle des Bittstellers bleibt Obinze nichts anderes übrig, als sich das Ohr abkauen zu lassen. Er applaudiert den Binsen seines Gönners.
Der Chief erklärt Nigeria mit einer Liedzeile: Niemand weiß, was morgen ist.
Er zieht vom Leder:
„Erinnert ihr euch an diese großen Banker während Abachas Regierungszeit? Sie haben geglaubt, dass ihnen das Land gehört, und als Nächstes saßen sie im Gefängnis.“
Aus der Ankündigung
Eine einschneidende Liebesgeschichte zwischen drei Kontinenten – virtuos und gegenwartsnah erzählt von einer der großen jungen Stimmen der Weltliteratur.
Chimamanda Adichie erzählt von der Liebe zwischen Ifemelu und Obinze, die im Nigeria der neunziger Jahre ihren Lauf nimmt. Dann trennen sich ihre Wege: Die selbstbewusste Ifemelu studiert in Princeton, Obinze strandet als illegaler Einwanderer in London. Nach Jahren stehen sie plötzlich vor einer Entscheidung, die ihr Leben auf den Kopf stellt. Adichie gelingt ein eindringlicher, moderner und hochpolitischer Roman über Identität und Rassismus in unserer globale Welt.