“Jim stuck to it that there was nothing to be seen after the first shower had ... (marins de l'État) and that interesting corpse (cet intéressant cadavre).”
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„Ein Gedicht braucht ganz wenige Menschen, um durchzukommen“. Christoph Meckel
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„Warum sind wir nicht Tiere geblieben?“ fragt die Namenlosigkeit im Gefängnis. Thomas Brasch sichert an der Stelle den Unterschied zwischen Löchern und Gräbern. Er definiert die Differenz als Kleinigkeit. Wir werden zum Sterben geboren.
Die Ästhetik war „Außer Atem“. Thomas Brasch (1945 - 2001) trieb die Abgrenzung bis zur Pose und schrieb Gedichte für die Köchin im Ganymed bei Gelegenheit. Dann schrie er aus dem Fenster seinen Verdruss. Das hörte man nebenan, wo das Berliner Ensemble ist. Das Ende im Blick vor dem Anfang: Das ist das erste Gesicht der Gedichte von Thomas Brasch. Der Fatalismus der Geschichte summt darin sein Lied vom Sozialismus. Der Kampf geht immer nur „um eine Niederlage“.
„Wer unterliegen will, muss siegen.“
Sie heiraten im Jahr von Lady Dianas Tod und teilen eine Bewunderung für Karl Lagerfeld und Giorgio Armani. Oberflächlich finden sie Leute, die nicht auf sich achten. Sich nicht pflegen. Nicht die Offshore-Outlets im Pazifik vor den Bermudas filzen. Sich nicht in jeder Airport-Boutique beduften.
„Der sieht ungewaschen aus.“
Das ist etwas ganz Schlimmes. Sie weiten das Urteil, bis zu der Feststellung: „Das ist ungewaschenes Denken“. Doch das reicht nicht. Im Jahr der Glücksfunde von Javne lassen sich Aram und Rivka scheiden. Ja, Javne, Sie Einfaltspinsel. Denken Sie an die Synode von Javne gleich nach dem Tempelschleif. In Javne brachen Schriftgelehrte so radikal wie epochal mit dem Judenchristentum, obwohl Judenchristen die Mehrheitsgesellschaft bildeten.
In der Perspektive vergangenheitsvergessener Armleuchterinnen liegt Javne zwanzig Kilometer südlich von Tel Aviv. 2002 streichelten da Archäologinnen unter der Leitung von Raz Kletter Kultsachen aus dem 3. Jahrtausend (nach der richtigen Zeitrechnung) aus der Erde. Seither gehen Aram und Rivka getrennte Wege. Dabei haben sie einen gemeinsamen Herkunftstext. Ihre Stimmen gehören der arabisch-jüdischen Mizrahi-Movement. Sie sind Stars der orientalischen Diaspora syrisch-iranisch-jüdischer Provenienz. Lange konnten sie sich ein kulturelles Unbehagen nicht erklären, das ihnen eine aschkenasisch ausdifferenzierte Mehrheitsgesellschaft eingab. Ihre persönlichen Spannungen und Spaltungen so wie die Spannungen und Spaltungen ihrer Minderheit fanden sie bei Weitem nicht ausreichend repräsentiert. Das ist Schnee von gestern im permanenten Jetzt zwischen Jetlag und Jetset. Das israelische Ding kommt gut. Es fluppt im Easyjetflow. Vergessen Sie Aram. Wir klemmen uns an die Fersen von Rivka.
Sie haben ein Problem mit ihrer Performance. Dann buchen sie Rivka.
Sie arbeitet weltweit als ambulante Softwareentwicklerin. Als Hobby gibt sie City Hopping an. Sie beobachtet Personen, die sich mit Sperrmüll auf der Straße einrichten und sich in der Öffentlichkeit häuslichen Verrichtungen hingeben.
Rivka misst den Puls der Städte. Ihre überscharfe Wahrnehmung konkurriert mit lyrisch-absurden Einlassung. Sie bewegt sich auf der 104 Avenue C im East Village. Sie teilt das Meer, als strebte sie einer Verabredung mit dem Leben selbst entgegen.
Im nächsten Augenblick
Auf dem Zaun ihres Leichtsinns hockt Rivka vor der Backwarenverkaufsstelle am Robert-Koch-Platz. Vor ihr kollidieren Welten auf einer Wiese. Vermummte kampieren neben Studierenden in Badesachen. Der Sommer kam plötzlich. Wie eine Besatzungsmacht übernahm er ein kaltes Frühjahr. In der Verkaufsstelle sorgt der Usurpator Hitze für einen gereizten Ton.
Die Zugezogenen erheben sich zum Schwarm, in Bewegung gesetzt von militant vorgefahrenen Diplomatenlimousinen. Schau an, laufende Zelte auf einer internationalen Umlaufbahn. Rivka kehrt in die Akademie zurück, sie ist allein im klimatisierten Lesesaal.
Die Akademie war ein DDR-Hotspot. Die mit Rivka um drei Ecken verwandte Penelope Sendow forschte hier. Die Israeli beobachtet eine Philologin, die prima in ihr Beuteschema passt. Eine Konkurrenz aus klassisch-ägyptischem Phänotyp und Brandenburger Pfarrerstochter. Ein evangelisch-pharaonisches Gesicht, eine entfernte Ähnlichkeit mit Georg Büchner und Ramses II., den Sophie-Scholl-Schick und die Brille zur Erinnerung an harte Zeiten. Als die Gemeinen ihren Stil noch verbindlich machen konnten auf dem Schulhof.
Rivka bemerkt einen diskreten Widerschein des inneren Feuers in den Augen dieses Kleinod der Diversität. Zu sich sagt sie: Ich nenne dich Achot bis auf Weiteres. Was bis auf Weiteres an dieser Stelle bedeutet, verschweigen wir Ihnen.
Zwei Stunden später
Rivka belauscht ein Gespräch über angeschwemmte Leichen. An Urlaubsstränden aus dem Wasser gezogen. Namenlose einer Völkerwanderung, die es nicht geschafft haben, in europäischen Küchen und Kellern dem Wohlstand nah zu verelenden. Stumm zitiere ich (die Allwissende) Johannes Bobrowski: „Ich mache bloß so ein Schlusspanorama für die zu Ende gehende Epoche der Sesshaftigkeit, welche im Neolithikum bekanntlich anfing, damit die Leute wissen, wie das war.“
Vor der Bar vagabundieren aufgeblasene Möbel. Die Zeit gähnt, Rivka entdeckt die Philologin. Ihr ist, als sähe Achot sie mit den Beinen an, die Knie noch aus der Kindheit aufgeschlagen. Sie badet in einem Gummiboot. Das Material schraffiert die Haut.
Im „Grünen Elefanten“ sagt ein (in der Maske des Kreuzberger Hausmeisters vergreisender) Ex-Hausbesetzer zum Tresen: „Der Leander Haußmann erklärt doch nur seine Narrenkappe zu einem besonders interessanten Hut.“
Rivka und Achot verziehen sich in die Ecke vor den Klos zu der Flugblattablage. Achot kontert Rivkas Zuschreibung mit Ukti. In jedem Fall sind sie beides nur unter anderem.
Rivka zählt die Hitzepickel der verwandten Seele, sind gar nicht so viele.
„Meine Freundinnen nennen mich Ka.“
Für Rivka steht fest, dass dieses Ka von keinem Punkt begrenzt wird. Es klingt, als gäbe es noch ein a. Rivka ringt Ka das zweite a ab. Zuerst ist das ein geduckter Anbau, bis das Zusatz-a Ka komplett verwandelt.
Ka-a legt eine Hand auf Rivka ab, das soll noch nichts bedeuten. Beide haben gerade keine, um sie zu betrügen. Beide sondieren die Schweißspuren unter den künstlichen Duftschichten. So wie du riechst, so schmeckst du.
Mancher Verhaltensvorzeichen zum Trotz ist Ka-a ein Feuer-und-Flamme-Typ, während die druckvolle Rivka vor lauter Zurückhaltung manchmal verschwunden scheint, obwohl sie vor einem steht.
Zwei Tage später
Rivka sitzt im Plunder eines Kneipenkinos und wundert sich nicht. Nicht über den akkuraten Einzelgänger (Solitär in sportlichem Leder) dessen Anschrift Rivka bei der Mutter vermutet. Nicht über die Frauen mit den zusammengesteckten Köpfen, für die in der Welt zu sein, ständige Überwindung und Besprechung der Überwindung bedeutet. Nicht über den Schlaffen im Bierkastenstil. Ferner wundert sich Rivka nicht über das Paar, das ergreifend gut in die Gegend passt - lockere Leute. Doch dann tritt ein schwarzer Hüne im rosa Hemd auf und neben ihm schwebt ein Fotomodell ein. Wahrscheinlich gibt es kein größeres rosa Hemd auf Erden, es platzt trotzdem gleich.
Die Selbstverständlichkeit, mit der manche Menschen sonderbare Dinge tun.