Sie wird täglich beleidigt und bedroht von Leuten, die sie nicht in Deutschland haben wollen. Als Dunja Hayali in Chemnitz recherchierte, konnte sie sich nirgendwo aufhalten, ohne in einer Traube der Zumutungen eingeschlossen zu werden.
Das Repertoire des Hasses wird in schamfreien Vorträgen verbreitet.
Bei einer Vorstellung ihres Buches „Haymatland“ in dem Berliner Kino und Veranstaltungsort „Babylon“ sagte Hayali dem Sinn nach: Früher wurde man von hinten oder von der Seite verbal angegangen und wenn man sich dann in die Konfrontation gedreht hat, duckten sich die Hasser*innen. Heute ducken sie sich nicht mehr. Ihre Standpunkte sind gesellschaftsfähig geworden. Der Schulterschluss von AfD, rustikalen Neonazis, Identitären, Pegida und dem kleinen Mann im Plural seiner Verdrossenheit suggeriert allen für das neuvölkische Programm Empfänglichen, dass sie auf der Straße bereits das Heft in den Hand halten und im Parlament vor der Machtübernahme stehen.
Dunja Hayali, „Haymatland - Wie wollen wir zusammenleben“, Ullstein, 154 Seiten,
Dagegen redet und schreibt Hayali an. Sie macht das sehr konkret und persönlich. Ich habe erst gestern Abend auf der Veranstaltung begriffen, dass Hayali aktivistisch agiert und ihren publizistischen Radius für ein antirassistisches Deutschland einsetzt. Mitmachen, dabei sein, sich einbringen, lokal handeln, global denken: das ist ihr Stil. Sie ist weder rechts noch links. So sagt sie es. Sie wehrt auch jene ab, die behaupten, wer nicht linksradikal ist, hält nur der AfD die Tür auf.
Hayali redet offensiv kämpferisch und berührend über ihre Heimat Deutschland. Sie bezeichnet sich als Patriotin. Der sie befragende Markus Feldenkirchen versuchte das Bekenntnis einzuhegen, im Geist der Ansage, die Rechten mit ihrem Patriotismus doch gefälligst allein zu lassen. Hayali will aber nicht auf diese Ladung verzichten. Sie weiß, dass alle progressiven Begriffsbildungen in den Revisionen des Zeitgeistes leichter außer Kurs gesetzt werden können als die Klassiker. Nichts veraltet schneller als die Avantgarde. Hayali nutzt die Chancen der Implosion. Sie setzt auf einen gemäßigten Text, der den Herrschaftstext spiegelt. So installiert man die Agenten der Macht auf seiner Seite. Also sagt Hayali, der Staat darf sich vor seinen Aufgaben nicht zurückziehen, um seinen Anspruch auf das Gewaltmonopol legitim zu halten. Auch die Migrant*innen müssen den Rechtsstaat vor den antidemokratischen Mineuren schützen und sich in einem bürgerlichen Bollwerk nützlich machen.