Zwei Leute, die Gründe haben, aneinander festzuhalten, geraten in den Sog einer skrupellosen Spielerin. In undurchsichtigen Manövern werden sie zu animierten Opfern. Es kommt sogar zu einer Reanimation der Kernbeziehung.
Neustart in New York. Für Thomas Siegelmann erscheint der avancierte Anfang vielversprechend. Als Heranwachsender entsprach er der „Pinneberger Durchschnittlichkeit“ so sehr, dass er Exklusivitätsphantasien im Spektrum prekärer Abweichungen entwickelte. Inzwischen ist Thomas ein Anpassungsvirtuose, der das New Yorker Tempo locker mitgeht. Als Chief Marketing Officer für Europa, den Mittleren Osten und Afrika bezieht er ein Büro in einem Dachgeschoss in Soho, 134 Spring Street.
Kathrin Werner, „Niu“, Roman, Atlantik, 255 Seiten, 22,-
Sein Arbeitgeber heißt Meat No More. Das Start-up bietet „pflanzliche Steaks“. Expert:innen experimentieren mit Hähnchengeschnetzeltem-Ersatz aus Erbsenpüree.
Thomas holt für alle auf seiner Etage Kaffee. Er merkt sich, „wer seinen Kaffee wie trinkt“. Mit Kolleg:innen zieht er in Bushwick/Brooklyn um die Häuser. Aufgekratzt von Stimmungsaufhellern diverser Provenienz plaudert er Geschäftsgeheimnisse aus. Er trifft Niu wieder, eine enigmatische Musikerin, die bereits mit Thomas‘ aus Hildesheim gebürtigen Frau, der Anwältin Carmen Manon Eurydike Dumeier anbändelte.
Das weiß Tom noch nicht.
Zurück auf Los
Da ist dieses deutsche Paar, das in New York neu anfängt, sich mit der Vorstellung anzufreunden, gemeinsam eine Familie zu gründen. Thomas ist zwar der Mann, mit dem Carmen, kurz C., ihr Leben verbringen will, doch längst hat „sie alles gehört von ihm“. C., „ihre Augen (sind) so blau wie der Nordseehimmel“, läuft in der „Traumstadt“ erst einmal stur Straßen ab. Sie begegnet Niu, um ihr auf der Stelle zu verfallen.
Niu kann Arien auswendig. Mühelos nimmt sie Leute für sich ein.
Nius Intuition ist C. unheimlich. Die Rätselhafte entfremdet C. allem Vertrauten. Sie initiiert ein großes Verschweigen auf beiden Seiten des Ehegeschehens der Expatriierten.
Niu erschafft eine soziale Skulptur aus Täuschung, Verrat, Begabung, Attraktivität und Sex. Sie setzt C. und Thomas wie Laborratten ein. Dem durchschnittlichen Verlauf der Paargeschichte gibt sie einen surrealen Drall.
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Zwei Leute, die Gründe haben, aneinander festzuhalten, geraten in den Sog einer skrupellosen Spielerin. In undurchsichtigen Manövern werden sie zu animierten Opfern. Es kommt endlich zu einer Reanimation der Kernbeziehung, am Ende einer Desaster-Serie, zu der auch Thomas‘ Mutter als frisch Verlassene eine bitterpersönliche Niederlage beiträgt. Elisabeth taucht an dem Tag in New York auf, an dem ihr Sohn seinen „Traumjob“ verliert.
Aus der Ankündigung
„Ich heiße Niu. N und I und U.“
Ein Neustart in New York. Die Hoffnung auf bessere Zeiten. Doch die Vergangenheit reist mit. Aber dann kommt Niu ... Carmen und Thomas sind gerade erst nach New York gezogen. Sie haben große Pläne für ihr neues gemeinsames Leben. Doch dann lernen sie unabhängig voneinander Niu kennen. Wie zufällig taucht sie immer wieder auf: in der U-Bahn, im Coffee Shop, an der Brooklyn Bridge. Beide verfallen schnell Nius Bann und beginnen, ihr bisheriges Leben zu hinterfragen. Thomas versucht in seinem neuen Traumjob anzukommen und Deutschland hinter sich zu lassen. Carmen wird immer wieder von der Erinnerung an Erlebnisse in Deutschland heimgesucht, von denen Thomas nichts weiß. Werden sich Carmen und Thomas wieder annähern? Und welche Rolle spielt Niu dabei? Niu erzählt mit feinem Gespür von den Wünschen und Sorgen eines jungen Paares in unserer schnelllebigen Zeit, in der sich Beziehungen, Rollenverständnisse, individuelle Freiheit, die perfekte Idee von Familie und all die unendlichen Möglichkeiten ständig neu definieren – und doch neben einer großen Sehnsucht nach Stetigkeit und Verlässlichkeit stehen.
Zur Autorin
Kathrin Werner, Jahrgang 1983, ist Redakteurin bei der Süddeutschen Zeitung. Sie lebte fast sieben Jahre lang in New York und arbeitete dort als Korrespondentin. Niu ist ihr erster Roman. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern in München.