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2022-12-01 19:06:16, Jamal

Der kostbarste Augenblick des Abends

Die Tangotänzer sind da. Sie treten festlich auf. In der Nacht sehen die Denkmäler im Park wie erstarrte Lebewesen aus. Wir sind alle nur Möglichkeiten füreinander. Überall werden Verabredungen getroffen, als müsste sterben, wer nichts vorhat. Goya bemerkt Paulas Sohn im Flutlicht der Boulespielerinnen. Die Boulespielerinnen sind unnachgiebig in ihren Gewohnheiten.

Der kostbarste Augenblick des Abends hebt seine Lider.

„Du bist mein Mann“, sagt Tanja. Sie lehnt sich an, die Tänzerinnen schwelgen auf einer betonierten Fläche. Goya träumt von einer Diktatur der Bäume. Ein Einkaufswagen wird über den Platz geschoben. Die Sorgfalt der Abstände. Vor Jahrhunderten in Reihen gepflanzt und jetzt stehen die Bäume ganz groß da. Der Wagen klingelt vom Leergut.

„Mit dir möchte ich alt werden. Kannst du dir das auch so gut vorstellen?“

Das tonnenschwere Gewicht, das manchen Sätzen nach ein paar Monate leichten Herzens wieder abgesprochen wird.

Goya beobachtet Paula bei dem Versuch, glücklich zu erscheinen. Goya war mit Paula in der Anstalt (Musterschule). Ihr Vater war da Lehrer. Ein Kollege des Vaters deflorierte Paula, er ging noch jahrelang bei der Familie ein und aus. Paulas Lehrervater hält sich für einen unterschätzten Intellektuellen.

*

Mit der Absicht, das Schauspiel des fortschreitenden Nachmittags an einer bestimmten Stelle in Ruhe zu betrachten, erreicht Goya den Park. Ein Kinderbasar auf der Promenade vereitelt die Absicht. Die Beflissenheit der Kinder, ihr abgegucktes Geschäftsgebaren, verstimmen Goya. Nussknacker aus dem Altenheim im Prüfling legen einen Zahn in kurzen Hosen zu. Goya resigniert auf einer Wiese, Tanja war heute nicht im Kindergarten. Er hat den letzten Abend mit ihr verbracht, von ihm aus geht alles in Ordnung. Tanja raucht am liebsten Camel ohne, sie sucht sich ihre Kioske nach ihren Feierabendvorlieben aus. Sie lässt sich von Goya nicht erziehen. Wenn er sagt, in Frankfurt heißt das Wasserhäuschen, sagt sie trotzdem weiter Kiosk. Bei Schnaps sagt sie nein, in Frage kommt höchstens Fernet. Tanja marschiert trainiert, mit einem in Kursen geschulten Körper, durchs Leben. Spirituelle Gymnastik ist ihr Dope. Erst Yoga, dann unter die Dusche.

© Jamal Tuschick

© Jamal Tuschick

© Jamal Tuschick

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