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„Die Hartnäckigkeit, mit der Geertje Dircx den viel einflussreicheren Rembrandt bekämpfte, nötigt Respekt ab.“ Christoph Driessen
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„Ein enormes künstlerisches Können, das bisweilen seiner Aufgabe zu spotten scheint.“
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„Tizian und Correggio geben schon sehr oft den Kunstmittel einen (weiten) … Spielraum und fühlen sich groß in ihrer Meisterschaft.“
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„Rubens hätte sein Lebtag lauter Bilder in der Art des Liebesgartens … malen und seine Zeitgenossen damit vor Entzücken töricht machen können.“ Jacob Burckhardt
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„Keiner soll Heiligtümer in seinem Haus haben.“ Plato
Elementare Großmächte
Die Mittel reagieren über dem Zweck. Das attestiert Jacob Burckhard den neuzeitlichen Revolutionärinnen und Revolutionären der Kunst. Der Kulturhistoriker spricht von einer „inneren Gewalt“, die sich als Einlösung einer epochalen Erwartung feiern ließe, säße man denn einem Missverständnis auf.
„Bei näherer Betrachtung schwindet einiges von diesem Schicksalsnimbus.“
Mit diesem Fazit kommt Burckhard zu Rembrandt van Rijn (1606 - 1669). Jener habe seine Gegenstände „den elementaren Großmächten Luft und Licht“ unterworfen; in jedem Fall mehr auf die Erscheinung als auf die wahre Gestalt gebend.
Martina Clavadetscher, „Vor aller Augen“, Unionsverlag, 234 Seiten, 24,-
In radikalen Perspektivwechseln empowert Clavadetscher Musen und Modellen. In den Anverwandlungen findet Hendrickje Stoffels (1626 - 1663) Rembrandt deutlich weniger erhaben. Die zuerst als Haushälterin akkreditierte, dann zur Lebensgefährtin des Malers avancierte und schließlich zu Rembrandts Chefin aufgestiegene Zeugin sagt aus:
„Er kann nur malen und saufen und vögeln.“
Die Bemerkung eröffnet Hendrickje Stoffels Schilderungen der näheren Umstände ihrer Verbindung mit dem holländischen Genie. Wie die unter ihrem Stand mit Rembrandt verheiratete Patrizierin Saskia van Uylenburgh und die Amme Geertje Dircx stand auch Hendrickje Stoffels dem Hausherrn Modell.
„Ich spielte seine Ideen mit, manchmal machten sie mir sogar Spaß.“
Clavadetscher illustriert das Zusammenspiel mit dem 1654 entstandenen Gemälde „Badende Frau“, zu sehen in der Londoner Nationalgalerie. Es kursieren mythologische Deutungen der Szene im Themenkreis um die arkadische Königstochter Kallisto.
Burckhard arrondiert die für Rembrandt maßgeblichen, von großen Vermögen und einem überseeisch-kaufmännischen Selbstverständnis geprägten Milieus. In der Hochzeit des Malers hatten die Niederlande ihren Platz an der Sonne eingenommen.
„Tijdens het leven van Rembrandt bevond Amsterdam zich midden in een periode van een ongekende welvaart en culturele bloei.“ Quelle https://www.rembrandthuis.nl/nl/
Exotische Dekors kolonialer Exploitationen korrespondierten mit einer Konzentration auf holländische Sujets. Die transkontinental operierenden Pfeffersäcke feierten die heimische Herdstelle und das Vieh auf der holländischen Weide.
„Die calvinistische Kirche hatte kein Verhältnis zur Malerei“.
Burckhard beschreibt den Kunstbetrieb als eine - unter den Aspekten Schmuck und Sammlung - auf das Häusliche gerichtete Angelegenheit.
1656 musste der verarmte Rembrandt seinen Besitz in der Sint-Antoniesbreestraat (Jodenbreestraat) aufgeben. Im Nachgang seines Ruhms blieb er als Künstler solide bis zum letzten Pinselstrich, während er als Bürger irrlichtete.
Angelika Kauffmann - Die Großmeisterin der klassizistischen Empfindsamkeit malte auch ihren Plauderfreund Goethe. Der Kongeniale fand sich nicht gut getroffen.
„Er ist immer ein hübscher Bursche, aber keine Spur von mir.“
Johann Gottfried Herder erklärte hingegen: „Goethes Bild hat sie sehr zart ergriffen.“
1781 heiratet die Schweizer Malerin und Sängerin Angelika Kauffmann (1741 - 1807) den italienischen Kollegen Antonio Zucchi. Begleitet vom Brautvater, unternimmt das Paar eine ausschweifende Hochzeitreise. Der aus Österreich gebürtige Porträt- und Freskenmaler Joseph Johann Kauffmann stirbt in Venedig. Zu seinem Vermächtnis zählen die Worte: „Leben ist wie Träumen … Angelika, du kannst alles.“
Die Tochter findet kaum Zeit zu trauern. Der Sohn der Zarin Katharina kreuzt in Farben der Bewunderung auf. Das hoheitliche Interesse löst „eine Flut von Aufträgen“ aus. Der europäische Adel wünscht von Angelika Kauffmann gemalt zu werden.
„Ich malte wie vom Wahnsinn angetrieben.“
Der mit Angelika Kauffmann ernsthaft befreundete Goethe rühmte ihre Gaben, zumal „die zarte Seele“. Clavadetscher präsentiert die Künstlerin mit einem Selbstporträt aus dem Jahr 1784. Dann wendet sich die Autorin Marie-Guillemine Benoist, geborene de Laville-Leroux (1768 – 1826) und deren 1800 geschaffenes, im Louvre hängendes Porträt de Madeleine zu.
„Ich bin die Revolution“, verkündet Madeleine. Dazu bald mehr.
Aus der Ankündigung
Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge, die Dame mit dem Hermelin, Frauen auf weltberühmten Gemälden von Leonardo da Vinci, Vermeer, Rembrandt, Courbet, Schiele, Munch. Wir sehen ihre Körper, ihre Blicke, ihre Kleidung, gebannt oder verbannt in einen ewigen Augenblick.
Doch wer waren sie außerhalb dieses Moments? Martina Clavadetscher ist den Hinweisen ihrer Leben nachgegangen, lässt die Frauen erzählen und gibt ihnen so eine Stimme zurück.
»Ohne diese Frauen, gäbe es kein Staunen, kein Schauen – mehr noch, ohne diese Frauen wäre die Kunstgeschichte, so wie wir sie heute kennen, undenkbar. Diese Frauen waren immer auch Mitarbeiterinnen, Künstlerinnen, Unterstützerinnen, Auslöser, ein Spiegel der Zeit, Ikonen, Inspiration, Partnerinnen, Retterinnen.« Martina Clavadetscher
Zur Autorin
Martina Clavadetscher, geboren 1979, ist Schriftstellerin und Dramatikerin. Nach ihrem Studium der Deutschen Literatur, Linguistik und Philosophie arbeitete sie für diverse deutschsprachige Theater, gewann den Essener Autorenpreis und war für den Heidelberger Stückemarkt nominiert. Für ihren Roman Die Erfindung des Ungehorsams erhielt sie 2021 den Schweizer Buchpreis. Sie lebt in der Schweiz.