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2022-12-08 08:32:14, Jamal

Alarmanalyse

„Der Edle lässt das, was er nicht versteht, ... beiseite. Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande.“ Konfuzius

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„Die Revolution braucht nur zwei Instrumente, das Gewehr und die Gehirnwäsche.“ Ungefähr Mao

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„Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen.“ Sunzi

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Der Wert einer ganzen Armee ... hängt von einem Mann allein ab: Dies ist der Einfluss des Geistes. Sunzi

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Sehen Sie auch hier.

Regelgeleitetes Regierungshandeln

„Konfuzianismus als Stütze von Totalitarismus.“ - So lautet eine Kapitelüberschrift in Alexander Görlachs Alarmanalyse. Der Autor erinnert daran, dass Mao die alten Zöpfe des Konfuzianismus von seinen kulturrevolutionären Quälgeistern abschneiden ließ. Maos mächtigster Nachfolger beruft sich wieder auf die chinesischen Klassiker. Xi Jinping ist die Person gewordene Partei in der zweiten Morgenröte der chinesischen Revolution.

Alexander Görlach, „Alarmstufe Rot. Wie Chinas aggressive Außenpolitik im Pazifik in einen globalen Krieg führt“, Hoffmann und Campe, 239 Seiten, 24,-

Daoistisch-antiken Firnis im Teebeutelstil

Bevor ich mich dem Titel zuwende, liefere ich einen Abriss der Lage im Augenblick.

Xi Jinping misst sich an Mao. Der mächtigste Mann der Welt strebt danach, die mythische Gründergestalt zu überflügeln. Schritt für Schritt tastet er sich vor. Der Schlüssel zur Überwindung Maos steckt in einem gigantomanischen Personenkult.  

Beseelter Konformismus

Xi Jinping will massenhaften Wohlstand mit einer daoistisch-antiken Firnis im Teebeutelstil. Die staatsbestimmenden Denkschulen und Kaderschmieden lehren Patriotismus und Pflichterfüllung. Jüngere Chines:innen stehen wieder sehr viel loyaler zu ihrem Staat als ihre Eltern es taten/tun. 

Wohlstand erzeugt Stolz. Eine stetig breiter werdende Mittelschicht bedankt sich mit beseeltem Konformismus für eine gedeihliche Gegenwart und die guten Aussichten als künftige Nummer Eins auf allen Weltspielfeldern. 

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Was wahr ist, entscheidet die Partei; alle Grenzen überschreitend, selbstverständlich auch die zwischen Fakten und Fiktionen. Einem Mix aus upgegradetem Konfuzianismus und Staatskapitalismus (Stichwort: Wohlstand ohne Freiheit) kommt Verfassungsrang zu. Das erklärt Görlach. Unter der Generalüberschrift „Regelgeleitetes Regierungshandeln“ wurde 2018 ein Kompendium „zur politischen Kontrolle des Landes eingeführt“. 

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Die westlichen Asienstandardbegriffe haben zwei Wurzeln: den Exotismus und den Kolonialismus. Beide Hebel funktionieren nur auf dem Sockel der Suprematie. Die westliche Überlegenheit besitzt musealen Charakter.

Die Macht im Haus der Welt gehört China. Sie personalisiert sich in Xi Jinping. Der Dynast Xi Jinping (Jahrgang 1953) ist ein Produkt der Kaderschmieden des roten Uradels. Führungspersönlichkeiten des Langen Marsches residieren fern des Volkes in einem abgesperrten Bereich des Palastbezirks in (der im Übrigen allgemein zugänglichen) Verbotenen Stadt

Xi Jinping Vater war ein führender Gefolgsmann Maos. Auch mit Xi Zhongxun verbindet sich der volksrepublikanische Gründungsmythos. Die Mutter reklamierte den Status einer Veteranin. Sie war bereits als Kindersoldatin im Einsatz. Später engagierte sie sich in der linientreuen Bildungsarbeit.

Seine Bilderbuchkarriere bewahrt Xi Jinpings Vater nicht davor, vorübergehend in Ungnade zu fallen. Um zu überleben, überbot der Sohn eines Konterrevolutionärs alle Konkurrent:innen auf dem Feld des vorauseilenden Gehorsams. Aus ihm sprach Mao.  

Xi Jinping entging dem Terror der Roten Garden trotzdem nicht. Man sperrte ihn ein. Mit fünfzehn landete der vormalige Eliteschüler in der landwirtschaftlichen Produktion von Shaanxi, weit weg von seiner Heimatstadt Peking. Er lebte da in einer Höhle.  

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Die Altgenoss:innen der Kommunistischen Partei kümmern sich kaum um Verschleierungen dynastischer und feudaler Aspekte ihrer Herrschaft. Die Veteranen der Gründer:innengeneration um Mao, Deng Xiaoping und Xi Zhongxun, deren Schwur in der Partisanenhochburg Yan‘an* auf ewig Gültigkeit besitzen soll, betrachteten die Jiang Zemins und Hu Jintaos als Figuren des Übergangs und der Vorläufigkeit.

*Im Norden der Provinz Shaanxi auf dem Löß-Plateau liegt Yan‘an am Gelben Fluss. Die Stadt ist ein revolutionärer Hotspot seit den Tagen des Zweiten Sino-Japanischen Krieges. Quelle

Wie ihre aristokratischen Vorgänger:innen sind die Repräsentant:innen der Gerontokratie aus der Steinzeit des chinesischen Kommunismus besessen von Langlebigkeit. 

Longävität ist der höchste traditionelle chinesische Wert. 

Man dehnt die persönliche Spanne. Darüber hinaus überlebt man in seinen Nachkommen. Die greise Avantgarde interpretiert Blutsverwandtschaft nach den Vorgaben vorgeblich überwundener, tatsächlich aber nur drapierter Feudalität. Das neo-feudale Vermächtnis erfüllt sich in der familiären Weitergabe von Macht. Das brachte auch Xi Jinping ins Spiel. Seine ersten Sporen verdiente er sich als Provinzfürst. 

Die Digitalisierung der Produktion

Dampfmaschinen machten in England den Anfang der Beschleunigung. Die Vereinigten Staaten übernahmen die industrierevolutionäre Führungsrolle von Großbritannien. Hundert Jahre bestimmten sie den Kurs der sozialen Evolution. Xi Jinping betrachtet sich im historischen Augenblick als Großmeister der dritten Stufe. Sie definiert die Digitalisierung der Produktion.

Dazu bald mehr.   

Aus der Ankündigung

Kampfjets über Taiwan, Kriegsschiffe in japanischen Gewässern, Militärbasen auf den Spratly-Inseln. China will sein Territorium im Ost- und Südchinesischen Meer ausweiten. Dabei ist besonders der Anspruch auf Taiwan explosiv, das China nicht als souveränen Staat anerkennt. Doch hinter Taiwan stehen die USA.

Der aktuelle Konflikt um Inseln und Riffe vor Chinas Küste wird im Westen oft vernachlässigt. Doch dahinter stehen handfeste Territorialkonflikte mit einer Reihe von Staaten wie Japan, Südkorea oder Vietnam. Die Region ist ein Pulverfass, bei dem eine einzelne Provokation schnell in einen internationalen Konflikt führen kann. Besonders Taiwan ist China ein Dorn im Auge: Unabhängig, demokratisch und westlich, historisch aber Teil von China. Taiwan führt der Welt vor Augen, dass es zu der Diktatur in China eine demokratische Alternative gibt.