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2022-12-12 07:16:18, Jamal

„Ich bin aufgewachsen an Orten, wo die Geister herumspukten.“

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„Religion, Gewalt und Alkohol sind in Glasgow untrennbar miteinander verbunden.“ Bobby Gillespie

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Goya packt Fleischwurst und Sauerkraut auf die in Ascea am Strand gekaufte, floral motivierte Küchentischdecke. Paula begutachtet den Beifang eines prallen Vormittags. Sie trägt einen Ehering, das Gegenstück liegt auf dem Küchentisch. Für den Rest des Tages möchte Paula verheiratet sein.  

„Immer ich“, sagt Goya. „Bei dir muss immer ich daran glauben.“

Das „immer ich“ erinnert Paula an einen in der Reduktion intensivierten Garagenflohmarktexperten, der Immerich genannt wurde. Er starb als Faktotum im Grössenwahn.

© Jamal Tuschick

Getrüffelte Kirschquarkcreme

Paula möchte ausgeführt werden, sie mischt Stellas Badezimmerdinge im Geist der Verschwendung. Sie führt sich als neuer Mensch vor, wie sehe ich aus? Wie findest du mich? Paula trägt eine Spange, die von Malka zurückgelassen und von Tanja verbannt wurde. Goya rettete die Spange aus dem Müll, er packte sie zu Verschlüssen, Öffnern und Gummibändern in verschiedenen Stärken. Das Fach muss man erst mal finden, offenbar durchkämmt Paula den Haushalt.
„Wir gehen in einer Stunde.“

Goya will auf dem Balkon Zeitung lesen. Das Abonnement läuft immer noch auf den Namen seiner Mutter. Paula bleibt Goya auf den Fersen, sie verfolgt seine erfundenen Gattengewohnheiten genauso interessiert wie den wahren Schlendrian.
„Du warst schon einmal verheiratet, und zwar mit meinem Bruder“, spinnt das Einzelkind Goya das Märchen fort, in dem er mit Paula verheiratet ist.

„Mein Bruder ist auf dem Weg zu seiner Geliebten tödlich verunglückt. Nach seinem Tod musstest du feststellen, dass er pleite war. Du bist zu mir gekommen und ich bin für die Schulden meines Bruders aufgekommen. Ich habe dich vor der Schande unqualifizierter Erwerbstätigkeit bewahrt. Zweifelhaft, ob du überhaupt in der Lage gewesen wärst, dich in einem Supermarkt als vormals was Besseres von jedermann mit kleinen Spitzen beschämen zu lassen.“
„Das hast du schön gesagt“, sagt Paula. „Ich will dir meine Dankbarkeit beweisen.“
Goya muss morgen zur Bank. Ab Donnerstag soll das Wetter schlechter werden. Die Wetterfeen werden immer schöner, zum Film wäre auch keine Chance für Paula gewesen.

„Erinnerst du dich noch an die getrüffelte Kirschquarkcreme im Café Heidinger am Merianplatz?“ fragt sie. „Die hat der Heidinger gar nicht selbst gemacht. Die kam aus dem Blindenheim in der Adlerflychtstraße.“
„Gut zu wissen“, antwortet Goya, Hölderlin wanderte durch die Heide zum Adlerflycht Hof, der Adlerflycht Hof war ein Sommersitz.
„Würdest du mir ein frisches Hemd herauslegen?“ fragt Goya. Der Gattenton hat Luft nach oben.
„Gewiss“, kommt Paula Goya auf einer Spottspur entgegen.
Das müssen wir noch üben, denkt Goya. Er könnte sich, rein vom Bedürfnis her, schon wieder die Zähne putzen. Paula hat ein Hemd herausgesucht, das Goya entfallen war. Sie will zu Eis Christina an der Eckenheimer Landstraße.

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Goya schwebt ein Gang über die Neuhofstraße vor, als junges Ehepaar alter Schule. Paula und Goya treffen Rocco im Treppenhaus, Sprotte hat ihn beauftragt, leuchtendes Entenschissgelb für den nächsten Anstrich aufzutreiben. Die Traktorära scheint ohne Schreierei zum Erliegen gekommen zu sein.
Auf der Neuhofstraße reden Goya und Paula über die beste Bratwurst der Welt als einem Premiumprodukt der Landmetzgerei Sinnig. Die Landmetzgerei liegt von jeher in der Stadt. Das Anwesen war unversehrt geblieben, stehengeblieben als Labyrinth und Kinderparadies und Schreckenskammer mit Vorhöllencharakter, bis man an tierische Leichen in der Gestalt von Rinderhälften komplett sich gewöhnt hatte. Nicht jeder durfte, aber Goya kam aus dem richtigen Stall. Ungemeldete Schusswaffen im Haus, der Nachwuchs wurde herangezogen zur Geheimniskrämerei und auf die Probe gestellt vom militanten Opa, der fand, dass man den Krieg besser gewonnen hätte mit einem Separatfrieden. Für Hitler nur Verachtung, über das Heilige Vaterland ging nichts. Solche gedanklichen Nussschleifen ergeben sich aus der Erwähnung der Landmetzgerei Sinnig, man müsste diese Leute aus ihrer Festung heraus kaufen und sich selbst darin verschanzen.