MenuMENU

zurück

2023-01-10 09:24:11, Jamal

Sehen Sie auch hier

Pflichtbewusstes Begehren

Las Cotxeres de Sants ist das größte Bürgerzentrum in Barcelona. In dem 1984 eingeweihten, vier Gebäude umfassenden Komplex findet das öffentliche Leben jenes Stadtteils statt, der den Hauptschauplatz in Maria Barbals Roman abgibt. Zwei Randfiguren leben da von jeher. Der Umstand stiftet sein eigenes Vermächtnis.   

Maria Barbal, „Die Zeit, die vor uns liegt“, aus dem Katalanischen von Heike Nottebaum, Roman, Diana, 22,-

Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist das Cotxeres. Da begegnet der ehemalige Aufzugmonteur Armand der pensionierten Lehrerin Elena in einem Yogakurs. Er ist der einzige Mann, sie die jüngste der Seniorinnen. Es folgt eine schlafwandlerische Annäherung.

Elena und Armand bewegen sich wie in einem Traum aufeinander zu.

Elena genießt Armands pflichtbewusstes Begehren. Der verwitwete Rentner gibt seiner Leidenschaft einen soliden Anstrich. Obwohl er von Elena hingerissen ist, beschwert er das Verhältnis nicht mit Forderungen. Er erfüllt ihre Erwartungen auch als aufmerksamer Zuhörer. Sie spricht gern über ihre Zeit als Lehrerin von Vorschulkindern. Ihm käme es nicht in den Sinn, ihr mit handwerklichen Binsen zu kommen.

Verblasste Prominenz, gezähmte Verzweiflung - Das Drama als Kammerspiel

Die Autorin schildert ein sich auf engem Raum weitläufig verästelndes Drama als Kammerspiel. Sie deutet ein soziales Gefälle an, dass von den Akteuren sorgfältig übersehen wird. Elena gibt die Spielregeln vor. Zunächst hat sie nicht vor, ihren Mann, den in der Ereignisgegenwart halbwegs vergessenen Lyriker Ramir, zu verlassen. Die Gatten sitzen in der Entfremdungsfalle. Sie haben die Freude aneinander verloren. Das abgenutzte Verhältnis nähert sich der Tristesse. Immerhin erlaubt es Freiräume, Rückzüge, Ausbrüche. Elena begleitet Armand, als er seinen Sohn Antoni und dessen Familie in England besucht. Die Reise entbehrt alle Selbstverständlichkeiten. Armand und Antoni stehen sich nicht nah. Die Zusammenkunft entspricht einer Premiere.

Kiezgenossin des Lokalmatadors

Der prosaisch informierte Ramir legte keinen Protest ein. Elena genießt die vermeintlich geschenkte Freiheit. Sie streift eine „gezähmte Verzweiflung“ ab. Bald nach ihrer Rückkehr begleitet eine Freundin Elena von einer Chorprobe im Cotxeres nach Hause. Einer spontanen Einladung folgend, kommt Pilar mit hoch. Den Abendbrotkreis erweiternd, offenbart sie en passant eine noch nie preisgegebene Vertrautheit mit dem Hausherrn.

Zum ersten Mal gibt sich Pilar als Kiezgenossin des Lokalmatadors zu erkennen.

Pilar rezitiert Verse von Ramir. Sie fragt, „ob er sich beim Schreiben von den Festen ihrer (gemeinsamen) Kindheit habe inspirieren lassen“. 

Elena fühlt sich in ihren eigenen vier Wänden ausgeschlossen. Doch ist die Krise nicht groß genug für eine schlaflose Nacht.   

Aus der Ankündigung

Elena und Armand begegnen sich bei einem Yogakurs in Barcelona. Sie kennen sich kaum und sind doch bald einander größter Halt. Zusammen verschwindet auf einmal die Distanz, die sie zwischen sich und der Welt empfinden. Zusammen fühlen sie sich schwerelos. Und trotzdem dauert es nicht lang, bis die lauten und leisen Katastrophen der vergangenen Jahrzehnte in ihre Beziehung einbrechen. Die Zweifel und Widerstände. Da ist der Ehemann, über den Elena schweigt. Der Sohn, von dem sich Armand entfremdet hat. Werden Elena und Armand sich die Freiheit nehmen, das Glück in seiner ganzen Fülle auszukosten? 

»Eine intime und berührende Geschichte über den Mut, Entscheidungen zu treffen, und die Hoffnung auf Veränderung.«  Florentina Czerny, Passauer Neue Presse (15. September 2022)

Zur Autorin

Maria Barbal ist eine der einflussreichsten und erfolgreichsten Stimmen der katalanischen Literaturszene. Geboren 1949 in den Pyrenäen, lebt und schreibt die mehrfach preisgekrönte Autorin heute in Barcelona. Ihr Debüt »Wie ein Stein im Geröll«, in 16 Sprachen übersetzt, gilt als moderner Klassiker. Auch ihr jüngster Roman »Die Zeit, die vor uns liegt« begeisterte Leser:innen und Presse.