„In Bochum kann man nicht leben“. Heiner Müller
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„Gerüchte über Wiedervereinigung, das sind Erfindungen von Nachrichtendiensten.“ HM 1982
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„Walter Ulbricht und ich
Als im Mai 1950
Walter Ulbricht mit den Kumpels des Mansfeld-Kombinats „Wilhelm Pieck“
über den ersten Fünfjahrplan diskutierte, packte meine Mutter abends in unserer Stube aus unserem ersten Westpaket 1 Tafel Schokolade, 1 Päckchen Kaugummi und ½ Pfund Bohnenkaffee aus.“ Lothar Trolle
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„Gleichwohl ward ich in Weimar durch Goethes besonderes Wohlwollen gefesselt.“ Goethe im Gespräch mit Eckermann
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„Den Reichen wälzt der Tod den ersten Stein auf die Brust, und die Armen befreit er vom letzten.“ Max Waldau
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„Wenn aber an einem Tage des blutigsten Kampfes ein Knabe, der auf dem Schlachtfelde nach Schmetterlingen jagt, mir zwischen die Beine kömmt … so darf uns das, unbeschadet unserer Philosophie und Menschlichkeit, wohl ärgerlich machen. Ludwig Börne über Heinrich Heine
Vager Flirt
Weil es Thea so gut geht, kommt sie aus ihrem Elend nicht heraus.
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Anton war ein gründlicher Mensch. Bevor er Selbstmord beging, schrieb er ein Buch über Selbstmord.
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Die leichte Nikotinanhaftung der Friseurin, die vor zwanzig Jahren plötzlich über die Schranken eines vagen Flirts flankte. Sie hieß Simone Liebe, ihre Eltern führten die „Fleischerei Liebe“ in P.
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In jedem Ensemble gibt es einen Iraner, der deutsche Tugenden rühmt, und einen Sven auf der Flucht vor seinen Gläubigerinnen. Den Boris im Alimente-Rückstand, ungefragt Besserung gelobend. Es gibt falsche Fröhlichkeit und echten Neid. Soziale Wucherungen, die Bildung von Randgewächsen und ein vehementes Aufkommen von Verfallserscheinungen auf nächtlichen Wochenmärkten. Kegel von Flakscheinwerfern unterhalten sich über den Leuten. Die Zeit hat einen Sprung in der Schüssel, Genossinnen nehmen die Hitze zum Vorwand, um das Bekleidungsminimum zu unterschreiten.
© Jamal Tuschick
Nächtliche Wochenmärkte
Von Automaten geschluckte Karten, Cocktails in Kellerbars, Bornheim im August. Abstürze im Weinkontor, das Wiedersehen von Leuten nach Jahren. Ein ruhiger Abend am Küchentisch. Die späte Einkehr nach einem Besuch bei melancholisch gewordenen Freundinnen. Die mondsüchtigen Viertelstunden nach dem Kino, all die Abkürzungen und Umwege. Die überbelichteten Mienen der letzten Gäste, das Repertoire lebender Fossilien, die den heiligen Aschenbecher und das galaktische Trockentuch in der Burggaststätte anbeten. Goya erklärt Tanja den Hauptfriedhof. Da liegen bedeutende Leute genauso tot in der Erde wie unbekannt Verstorbene. Der Aidshospizverein hat Tulpen gegen Hoffnungslosigkeit gepflanzt. Ein neuer Stamm tanzt in Formation. Die Tänzerinnen bekennen sich zu einem Getränk ihrer Großväter. Sie huldigen dem Jägermeister im Sambaschritt. Sie beten die grüne Flasche an. Das Bornheim-Chapter der Tupamaros tummelt sich in einer Randlage. Peter Härtling belagert das Grab von Ricarda Huch in einem Klappstuhl. Die Arme stützen den Rumpf geometrisch, die Hände hängen raumfordernd vor dem Leib in der Luft. Der schwäbische Liebling aller Buchhändlerinnen zieht eine Kontemplationsschau ab. Eine Frau in der Aufmachung privat musizierender Lehrerinnen, eine von Selbstzucht verbogene Schwärmerin, schleicht sich an. Schon wieder Abend.
Jemand sagt: „Der hat den Groove kapiert.“ Jemand sagt: „Man muss Druck erzeugen und trotzdem nach hinten spielen.“ Jemand kennt jemanden, der genau weiß, wo der Kinderstuhl von Friedrich II. steht. Das findet Goya zu ausgesucht. Er gerät in einen erinnerten sonntäglichen Auflauf von Portugiesen oder Spaniern. Auf einer Rennbahn des Assoziativen verläuft sich Goya bei der Schilderung. Ein Bahnhofvorplatzkonvent im ewigen Mistwetter der Siebzigerjahre wächst mit der Kantinenbetrieb des spanischen Kulturvereins an der Staufenmauer zusammen - Goyas Alltagsvergesslichkeit droht den Horizont seiner Vergangenheitsgenauigkeit zu verdunkeln.
Tanja sagt, auf Türkisch heißt Tabak Tütün. An die Fallen der Differenz von Laut- und Schriftbild gewöhnt, begeistert sie, dass man das Wort so schreibt wie es ausgesprochen wird. Tanja malt es auf einen Filz, durchdrungen von dem Gefühl, dass ihr Leben gerade genau richtig ist.
Immer mehr Leute trinken Cocktails auf der Straße, gemischt von Vietnamesinnen in Telefonläden. Zum new style passt es, mit einer Monsterkühlbox voller Fertigcocktails durch die Gegend zu laufen. Jede macht drei, vier athletische Bewegungen und slammt dann ihr Getränk.
Die bosnischen Brüder kreuzen auf. Ohne Eltern sind sie in Frankfurt gestrandet. In geschwisterlichem Schutz- und Trutzbund leben sie auf der Straße. Sie nomadisieren in Frankfurt, angetrieben von ihren Verstörungen und unerreichbar für Maßnahmen. Sie unterhalten mysteriöse Beziehungen zu den Nacht-Boule-Spielerinnen.
Goya bemerkt seinen Vater am Steuer einer nachtblauen 57er Corvette. Zu dem alten NSA-Agenten bald mehr.