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2023-05-21 10:25:41, Jamal

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„Der Kampf findet hier statt; ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit.“ Selenskyjs Reaktion auf das amerikanische Angebot, ihn aus Kyjiw zu evakuieren; zitiert nach Serhii Plokhy

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Die russischen Vorräte gingen rasch zur Neige. Ukrainische Gegenwehr hatte in den russischen Strategiespielen der Vorbereitungsphase keine nennenswerte Rolle gespielt. 

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„Ich beobachtete auf europäischen Konferenzen, wie deutsche Teilnehmer den ostmitteleuropäischen Vertretern vom Hochsitz der moralischen Erhabenheit erklärten, wie man mit Russland umzugehen habe.“ Michael Thumann

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„Putin kann den Krieg mit einem Wort beenden.“ Joe Biden

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„Putin könnte jeden Kriegsausgang als Sieg verkaufen.“ Michail Chodorkowski in einem Standard-Interview mit Fabian Sommavilla,  Quelle

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“A year ago, on the same days, Zelensky and I spoke on the phone. He said he heard explosions - I won’t forget that; I thought that Kyiv would not survive, like Ukraine. But a year later Kyiv endured, democracy endured, and the world endured; We have created a coalition around the world: NATO, Japan, the Pacific region, about 50 countries in total; Putin thought he would outlive us. I don’t think he still thinks so. God alone knows what he's thinking now. He was simply wrong; The Russian economy is now isolated and in trouble.” Joe Biden am 20.02. 2023 in Kiew

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„Es möge vermessen klingen, sagt der amerikanische Oberbefehlshaber am Montagmorgen im Kiewer Präsidentenpalast zu Selenskyj, ‚aber schon am ersten Tag des Angriffs hielt ich es für wichtig, dass der Präsident der Vereinigten Staaten hierherkommt‘“. Aus der FAZ vom 20.02. 2023, Quelle

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„(Putin) greift den Lebensstil Europas an, seine Sicherheit und seine wirtschaftlichen Lebensgrundlagen.“ Michael Thumann

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Dmitrij Medwedew offenbarte „die russische Sicht auf Europas Zivilisation, als er den Balten und letztlich allen Europäern (zurief): ‚Dass ihr in Freiheit seid, ist nicht euer Verdienst, sondern unser Versäumnis‘.“  Zitiert aus Michael Thumanns Alarmanalyse „Revanche. Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat“

„Unter Wladimir Putin verabschiedet sich Russland, das eigentlich größte europäische Land, aus Europa. Erneut senkt sich ein Eiserner Vorhang quer durch den Kontinent. Reise ich in dieses Land, werde ich am Flughafen in aller Regel aufgehalten. Der Grenzbeamte hält meinen Pass fest und telefoniert lange mit seinen Vorgesetzten. Ein Mensch im dunklen Anzug, wahrscheinlich Geheimdienst, holt mich ab und führt mich in einen Kellerraum. Darin ein Schreibtisch, eine alte Matratze mit Sprungfedern, kaputte Stühle, Staub in den Ecken. Ich muss Fragen beantworten: Wo wohnen sie? Was denken sie über die Militäroperation? Was haben sie vor in Russland? Ich antworte knapp und frage mich selbst: Komme ich überhaupt noch in das Land? Und komme ich wieder heraus?“ Michael Thumann    

Europäische Gretchenfrage

„Der Kampf findet hier statt; ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit.“ Selenskyjs Reaktion auf das amerikanische Angebot, ihn aus Kyjiw zu evakuieren; zitiert nach Serhii Plokhy

Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gelang es, die Frage Wie hältst du es mit der Ukraine? zur europäischen Gretchenfrage zu machen. Dies gewiss in der Konsequenz und mit der Dynamik schrecklicher Erfahrungen. 2014 fehlte die internationale Anteilnahme. Die Amputationsschmerzen der ihrer Krim beraubten Ukraine verhallten ungehört. Ungestört trieb Putin das koloniale Projekt einer unumkehrbaren Abhängigkeit europäischer Staaten von russischer Energie voran. 

Die westeuropäischen Sanktionen nach der Krim-Annexion entsprachen bei Weitem nicht dem Verwerfungsniveau, das die Ukraine belastete. Frankreichs Präsident Macron und andere Staatschefs erachteten Putin weiterhin als regulären Spieler auf der Staatschefebene.

Russische Strategiespiele

„Nördlich von Kyjiw waren die russischen Streitkräfte den ukrainischen um das Zwölffache überlegen, aber es gelang ihnen nicht, diesen Vorteil in einen Sieg zu verwandeln.“

Serhii Plokhy bezieht sich mit dieser Bemerkung auf die Frühphase des russischen Angriffskrieges. Der Vormarsch steckte bald an allen Ecken und Enden fest. Treibstoffmangel bestimmte das Geschehen nicht zuletzt. In dystopischen Anordnungen entledigten sich die Invasoren dysfunktionaler Ausrüstung. Es bildeten sich Halden des militärischen Versagens. 

Die russischen Vorräte gingen rasch zur Neige. Ukrainische Gegenwehr hatte in den russischen Strategiespielen der Vorbereitungsphase keine nennenswerte Rolle gespielt.

Serhii Plokhy, „Der Angriff. Russlands Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen für die Welt“, übersetzt von Bernhard Jendricke und Peter Robert, Hoffmann und Campe, 26,-

Das rächte sich. Leichte Verbände der Ukrainer:innen düpierten die schwerfälligen Usurpatoren. 

Das russische Menetekel

Das russische Menetekel manifestierte sich in Kyjiws Uneinnehmbarkeit. Die russische Propaganda appellierte an die ukrainischen Streitkräfte, die Waffen ruhen zu lassen. Sie denunzierte die ukrainische Regierung als eine „Bande von Drogensüchtigen und Neonazis“.

Ein Staatsstreichvorhaben mit Putschappeal platzte. Nach den ersten russischen Fehlschlägen sahen die konspirierenden Offiziere der ukrainischen Armee von ihrem Vorhaben ab.

Putins „Appelle … blieben ohne Resonanz … Die ukrainischen Truppen waren motiviert und kämpften tapfer.“

Eine Umfrage am dritten Kriegstag ergab, „dass 79 Prozent der (Ukrainer:innen) an einen Sieg glaubten“.

In der Zwischenzeit wurde der russische Präsident mit Einschätzungen „gefüttert“, die seinen Wunschvorstellungen entgegenkamen.

Der russischen Inlandsgeheimdienst (FSB) „vermeldete, die Ukrainer würden ihre russischen Befreier mit offenen Armen empfangen.“   

Putin erwartete einen Empfand seiner Truppen mit Blumen.

Siehe hierzu: Sergej Gerassimow, „Feuerpanorama. Ein ukrainisches Kriegstagebuch“, auf Deutsch von Andreas Breitenstein, dtv, 249 Seiten, 22,-

Gerassimow erklärt: „Damit lagen sie völlig falsch … Die Russen fühlten sich zurückgewiesen, beleidigt und verachtet.“

Radikaler Nationalismus

„Die heutige Ukraine wurde vollständig von Russland erschaffen.“ Putin, zitiert nach Serhii Plokhy

Als die Ukraine am 24. Februar angegriffen wurde, hielten viele das Weitere für eine Frage von achtundvierzig Stunden. Im antiquierten Geist des Blockdenkens war Russland - als Erbin der auseinandergebrochenen Sowjetunion - die Zentralgewalt und die Ukraine bloß ein Satellitenstaat mit schlecht befestigten Souveränitätsansprüchen. Zu Recht hielt der Historiker Timothy Snyder der nicht allein diskreditierenden, vielmehr den Westen entlastenden Erzählung von der Ukraine als einem russischen Satelliten entgegen: „Die Ukraine muss am 23. Februar 2022 als Gesellschaft und Gemeinwesen existiert haben, sonst hätten die Ukrainer der russischen Invasion am nächsten Tag nicht kollektiv Widerstand geleistet.“ NZZ, Quelle

Putin verfolgt seine Agenda nicht als Getriebener, sondern als Missionar. Bis zum „Scheitern des Blitzkrieges“ (Galia Ackerman/Stéphane Courtois, „Schwarzbuch Putin“) in der Ukraine war der russische Präsident kaum je auf die Zustimmung der Bevölkerung angewiesen. Er appelliert nun „im Namen eines mystifizierten Vaterlandes und einer glorifizierten Armee“ (Ackerman/Courtois).

Putin verfolgt eine Traditionslinie in „Rekurse(n) auf Stalin, die Zaren des 19. Jahrhunderts, Peter dem Großen und Iwan dem Schrecklichen“ (Ackerman/ Courtois). Er argumentiert mit einer tausendjährigen Reichshistorie und einer russischen Welt, die nur vorübergehend als Sowjetunion firmierte, indes ewig ist in ihren weit gesteckten Grenzen.

Angeblich, so Plokhy, „soll (Sergei) Lawrow auf die Frage, wer Putins Berater sei, geantwortet haben: Peter der Große, Katharina die Große und Alexander II“.

Aus der Ankündigung

Welche Folgen hat Russlands Angriff in den kommenden Jahrzehnten für den Westen und die Welt? Dieses hochaktuelle, dringende Buch gibt Antworten auf entscheidende Fragen unserer Zeit.

In seinem neuen Buch gibt der renommierte Historiker und Ost-Europa-Experte Serhii Plokhy Antworten darauf, wie Russlands Krieg die Weltordnung der nächsten Jahrzehnte verändern wird. Er erzählt von einem ukrainischen Volk, das als Frontstaat im jetzt anbrechenden neuen Kalten Krieg endlich seine Identität gefunden hat. Und er skizziert eine globale Außenpolitik, die sich wieder weg von ökonomischer Kooperation, hin zu Dominanz, Vasallenstaaten und militärischer Stärke entwickelt – mit gravierenden Folgen für uns alle. Nur wenn der Westen sich dieser Realität stellt, wird er in Zukunft seine Freiheit behaupten können.

Zum Autor

Serhii Plokhy ist Professor für ukrainische Geschichte in Harvard und Direktor des ukrainischen Forschungsinstituts der Universität. Plokhy ist Autor zahlreicher Bücher zur osteuropäischen Geschichte, darunter das preisgekrönte Werk "The Last Empire. The Final Days of the Soviet Union", für das er den Lionel-Gelber-Preis erhielt, und "Chernobyl. History of a Tragedy", das mit dem Baillie-Gifford-Preis ausgezeichnet wurde.