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2023-06-10 13:19:16, Jamal

Altruistische Agenda

„Wir wissen alle, was eine Emotion ist, bis wir gebeten werden, sie zu definieren.“ Jan Plamper

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„Die sanfte Bigotterie geringer Erwartungen.“

George W. Bushs Redenschreiber Michael Gerson soufflierte seinem Chef die Formulierung zur Herabsetzung der Demokratischen Partei. Deren altruistische Agenda übertreibe die Fürsorglichkeit und leiste dem sozialen Versagen Vorschub. Zitiert nach Christopher Wylies „Ferngesteuert. Wie die Demokratie durch Social Media untergraben wird“   

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In den 1990er Jahren © Jamal Tuschick

Sagenhaftes Hörensagen

Wir reden ständig über Gefühle, June und ich. Gefühle sind unser Gold. Wir spekulieren auf die Gefühle von Leuten, die sich aus Ressentiments seelische Bretterbuden gezimmert haben, und dazu verurteilt sind, in den Trailer Parks ihrer Ohnmacht dahinzuvegetieren. June kommt aus der Depression einer nordenglischen Bergarbeiter:innenstadt, die in der Keimzeit des britischen Neoliberalismus gegen die Wand gefahren wurde. Sie wuchs in einer sterbenden Gemeinschaft auf. Die proletarische Kultur gehörte zum Hörensagen und Sagenhaftem. Wettbüros, Spielhallen und Telefonläden okkupierten traditionelle Schauplätze einer im Verschwinden begriffenen, von betrunkenen Altvorderen hymnisch betrauerten Lebensform.

Angeblich hatte alles, was gut war, vor Junes Geburt stattgefunden. In ihrer Jugend grassierte das Böse ungebremst. Illegale Hundekämpfe, Drogengeschäfte, Straßenstrich-Prostitution, Autoschiebereien. Süchtige starben unbeachtet im öffentlichen Raum. Der Gesellschaft fehlte die zentralisierende Kraft, sich eine neue Ordnung zu geben.

Vorübergehend migrierte June in die Ölmagnaten-Sphäre. Ein paar Jahre profitierte sie von den wasserfallartigen Überschüssen eines kasachischen Tycoons. Der Mann war eine Mischung aus Magier, Militär und Milliardär. Er legte sich Sportmannschaften zu und setzte Kleinstädte mit pompösen Alleinstellungsmerkmalen auf die internationale Karte. 1997 avancierte Juni zur Chefin der Osteuropaabteilung des Alpha-Teams für eine bessere Welt.    

Gemeinsam gehen wir täglich die Punkte unseres Selbstwohl-Programms durch.  

Posttraumatische Belastungsstörung

Eines Tages sprengt Trent unsere Zwiesprache. Ihn empört, dass US-Militärpsychiater:innen bei Ranald Slidell MacKenzie postum eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert haben. Seines Erachtens gibt es diese Krankheit erst, seit jemand so einfallsreich war, den Begriff in die Welt zu setzen.

„Alles Quatsch“, behauptet Trent.

Mackenzie war ein Mann des 19. Jahrhunderts war. Er befehligte das IV. US- Kavallerie-Regiment in der Schlacht am Palo Duro Canyon, die von vernünftigen Historiker:innen als Massaker an der ursprünglichen Bevölkerung bezeichnet wird. Das Ereignis markiert das blutige Ende eines Widerstandes über Jahrhunderte. Mackenzie verfiel dem Wahnsinn in seiner Zeit als Reservatchef in Oklahoma. 1883 erfolgte seine stationäre Unterbringung. 

Trent erwartet Widerspruch. Die Banausen sollen Beispiele für posttraumatische Belastungsstörung schon bei den alten Griech:innen gegen seine These ins Feld führen.

Trent hält uns für doof. Für ihn ist alles nur noch Clishmaclaver. Seit fünf Jahren steckt er in einer unfreiwillig kinderlosen Ehe. Seine Frau steht im Begriff, ihn als verblasstes Idol von der Wand ihrer Bewunderung zu nehmen. Samira-Green unterrichtet kreatives Schreiben. Sie nimmt Rücksicht auf einen Rücksichtslosen. Im Weiteren hat sie eine Schwester, die sich für ihr Leben gern prügelt, und einen zurückweichenden Schwager. Dazu später mehr.