Ungerührter Zugriff
Loni Mai Murrow liebt ihre Arbeit als Zeichnerin in der ornithologischen Abteilung eines Museums. Ihr Dasein entspricht dem sprichwörtlichen Glück im Winkel. Ein Unfall ihrer an Demenz erkrankten Mutter Ruth erzwingt eine Unterbrechung angenehmer Routinen.
Virginia Hartman, „Tochter des Marschlands“, Roman, aus dem Amerikanischen von Frauke Brodd, Heyne, 462 Seiten, 22,-
Die Schauplätze ihrer Kindheit und Jugend bieten Loni kein Sehnsuchtspanorama. Nichts reizt sie an ihrer Geburtsstadt Tenetkee. Loni informiert erst einmal ihre beinah lebenslang beste Freundin. Estelle, Kuratorin im Tallahassee Museum, dient Loni als Fels in der Brandung.
Am Morgen nach Saint Patrick’s Day fährt Loni los.
Bei einem Sturz brach sich Ruth das Handgelenk. Lonis Mutter befindet sich im Seniorinnenstift St. Agnes. Beim ersten Besuch der Desorientierten entdeckt Loni eine kryptische Mitteilung, die sich auf den Tod ihres Vaters bezieht.
Sollte es doch kein Selbstmord gewesen sein?
Standesbewusste Southern Belle
Ein auf den Hund gekommener Sumpfspecht rät Loni schleunigst zu verschwinden. Im weiteren Verlauf der Ereignisse entpuppt er sich als ehemaliger Kaufmann. Einst zählte Nelson Barber zum Bekanntenkreis der Murrows. Er war der erste, der eine Zeichnung von Loni erstand. Loni trifft den ehemaligen Chef ihres Vaters. Captain Frank Chappelle kämpft entschlossen gegen die Verheerungen des Alters. Seine Form wahrt er mit Krafttraining und Gartenarbeit. Eine verborgene Depression sendet ihre Signale durch die Fassade einer forcierten Unverwüstlichkeit.
Lonis Elternhaus verwüstet eine fortgeschrittene, von Lonis Bruder Phil und dessen Frau Tammy eigenmächtig betriebene Haushaltsauflösung. Wehmütig inspiziert die Heimkehrerin „spitzenbesetzte Leinenservietten … (und) goldumrandetes Limoges-Porzellan“ aus den Beständen ihrer bourgeoisen Großmutter, dieser standesbewussten Southern Belle.
Loni entführt Phils Kinder Heather und Bobby zum Eisessen ins Lodge at Wakulla Springs.
Die resolut-biestige Tammy und der charmant-gleichgültige Phil schaffen zielbewusst neue Verhältnisse. Loni widerstrebt die Zugriffshandfestigkeit der Verwandten. Jene handeln aus guten Gründen und mit den besten Absichten. Loni sträubt sich gegen die Bigotterie der Vitalen. Sie findet immer neue Gründe, nicht gleich wieder abzureisen; obwohl ihr genau das rabiat nahegelegt wird. Die Drohungen und Ratschläge stehen in einem Zusammenhang mit dem - lange zurückliegenden - Tod ihres Vaters. Dazu morgen mehr.
Aus der Ankündigung
Loni Mae Murrow liebt ihr geordnetes Leben in Washington, D.C., wo sie ihr Talent zum Beruf gemacht hat: Für ein Naturkundemuseum fertigt sie naturgetreue Zeichnungen von Vögeln an. Als ihre Mutter Ruth erkrankt, folgt sie nur widerwillig der Bitte ihres Bruders, in die Kleinstadt ihrer Kindheit im Marschland Floridas zu kommen. Denn inmitten der unberührten Landschaft lauern die Erinnerungen an Ruths Gefühlskälte und an den tragischen Tod ihres Vaters Boyd als Loni zwölf Jahre alt war. Dann findet sie einen Hinweis, der Boyds Bootsunfall in einem neuen Licht erscheinen lässt. Sie macht sich auf die Suche nach der Wahrheit. Und nach dem, was Familie, Liebe und Heimat für sie bedeuten.
»Hartman debütiert mit einem raffinierten und rasanten Familiendrama.... [Ihre] lebendigen Naturbeschreibungen und detaillierten Ausführungen über Museumsarbeit, Botanik und Ornithologie zeugen von dem Talent dieser Autorin« Publishers Weekly (11. Juli 2022)
Zur Autorin
Virginia Hartman unterrichtet Creative Writing an der George Washington University in Washington, D.C. Ihre Erzählungen, in denen das Verhältnis des Menschen zur Natur eine tragende Rolle spielt, wurden für diverse Preise nominiert. »Tochter des Marschlands« ist ihr erster Roman.