Bauchladenverkäufer machten im frühen 17. Jahrhundert den Anfang. Die Erwerbsnomaden rangierten unter den Ärmsten. Ihre Deklassierung war eine Totalität. Bis heute nennt man diese Schicht Burakumin. In der Bezeichnung erreicht die Entwürdigung ihren Gipfel.
Die Parias schlossen sich in Ringvereinen zusammen, verbesserten sich in Revierkämpfen, und erweiterten ihr kriminelles Repertoire. Die Anführer, Oyabun genannt, dürfen einen Nachnamen führen und ein Schwert tragen. Die Privilegien stellten sie auf eine Stufe mit den Bushi, sprich Samurai.
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„Wo ich herkomme, wissen wir schon immer, dass uns jeder neue Tag ohne Vorwarnung um die Ohren fliegen kann.“ Anuradha Roy
Popularisierte Fama
Die japanische Mafia schillert in malerischen Farben. Ihre Rituale oder vielmehr deren Fama erinnern an anachronistische Gepflogenheiten im Spektrum martialischer Bruderschaften. Modellhaft erscheint die Standes- und Statusordnung der Bushi. Nippons Militärkaste kultivierte eine hierarchisch durchdeklinierte Exklusivität. Die Organisationsform kombinierte das Gefolgschaftswesen mit Ordensstolz.
Kotaro Isaka, „Suzukis Rache“, Thriller, auf Deutsch von Sabine Mangold, Hoffmann und Campe, 24,-
Gokudō (Goku-dō) bezeichnet einen extremen Weg - Dō. Der Begriff taucht als Synonym von Yakuza auf. Die Yakuza erachtet sich selbst als ritterlich - Ninkyō Dantai. Das Behördenjapanisch ignoriert die Nobel-Dimension und rubriziert die Delinquenten unter Bōryokudan. In den Begriffsbildungen taucht keine semantische Redundanz auf. Allein darin offenbart sich die Vielschichtigkeit des Phänomens Yakuza.
Klandestine Kontakte
Die mehr oder weniger klandestinen Kontakte zwischen Gangstertum, Politik und Hochfinanz werden von niemandem bestritten. In der Tycoon-Klasse treffen sich die einen von jeher mit den anderen, um einander formvollendet gefällig zu sein. Darauf spielt Kotaro Isaka an, wenn er einen Yakuza-Paten als bewaffneten Arm der legalen Macht schildert. Im Auftrag staatstragender Persönlichkeiten legt Terahara Unliebsame um. Im Gegenzug bleibt er straffrei.
Die Härte des Gesetzes trifft andere.
Bauchladenverkäufer machten im frühen 17. Jahrhundert den Anfang. Die Erwerbsnomaden rangierten unter den Ärmsten. Ihre Deklassierung war eine Totalität. Bis heute nennt man diese Schicht Burakumin. In der Bezeichnung erreicht die Entwürdigung ihren Gipfel.
Die Parias schlossen sich in Ringvereinen zusammen, verbesserten sich in Revierkämpfen, und erweiterten ihr kriminelles Repertoire. Die Anführer, Oyabun genannt, dürfen einen Nachnamen führen und ein Schwert tragen. Die Privilegien stellten sie auf eine Stufe mit den Bushi, sprich Samurai.
Als moderner Oyabun ist Terahara so unantastbar wie seine Vorgänger in verflossenen Jahrhunderten. Er steht nicht nur über dem Gesetz, sondern schwebt über allem. Die Vormachtstellung schützt auch den missratenen Sohn. Der Vollgasidiot hat die Frau eines braven Mittelschulmathematiklehrers auf dem Gewissen. Der untröstliche Witwer sinnt auf Rache. Deshalb hat sich Suzuki in Teraharas Organisation eingeschleust, wenn auch mit einer ausgesprochen dürftigen Legende. Den Dubiosen erscheint der Biedermann Suzuki auf Anhieb suspekt.
Der Debütant absolviert einen Initiationscorso. Auf dem ersten „Level“ der Verrohung wirbt Suzuki für Fitness- und Diätprodukte, die von Teraharas Agentur „Furoirain“ vertrieben werden. Er spricht Frauen an, die im weiteren Verlauf ihrer parallelgesellschaftlich-routinierten Bearbeitung von Drogen abhängig gemacht werden. Im nächsten Durchgang betäubt und verschleppt Suzuki junge Leute. Er engagiert sich an der Peripherie eines turbulenten Geschehens im Themenkreis von Mord zum Zweck der Organentnahme. Endlich verkündet die altgediente und hartgesottene Ganovin Hiyoko:
„(Gleich) kannst Du den Mistkerl kennenlernen, der deine Frau umgebracht hat.“
So viel zu Suzukis Tarnung. Kotaro Isaka schwankt zwischen Groteske und Klamauk. Der Slapstick-Krimi nähert sich dem ersten Showdown. Kurz bevor Suzuki ihn erschießen kann, stößt jemand Terahara junior vorsätzlich vor einen Minivan. Das Fahrzeug fungiert als Waffe. Der Fahrer geht auf Nummer sicher. Er setzt noch mal zurück, um den am Boden Liegenden zum zweiten Mal zu überfahren. Suzuki sieht den Verhassten sterben. Er nimmt die Verfolgung des Car-Killers auf.
Ein anderer und bei Weitem besser informierter Zeuge des Mordes ist der „Wal“. Unter diesem Namen kursiert in der Agglomeration Tokio ein (seit fünfzehn Jahren erfolgreicher) Killer mit einem eher lethargischen Naturell. Zwar fehlt dem Wal die letzte Gewissheit. Trotzdem zweifelt er kaum daran, einen Kollegen bei der Arbeit beobachtet zu haben.
Übrigens haust der Wal in einem Park. Er besitzt noch nicht einmal ein Zelt.
War es der „Pusher“ persönlich, der den unsäglichen Patenspross an einer Kreuzung für immer aus dem Verkehr zog? Der Legendäre, mit bürgerlichem Namen heißt er Asagao, wohnt mit seiner Frau Sumire und den Söhnen Kentarō und Kojirō in Netozawa Parktown. Das findet Suzuki heraus.
Der Originaltitel von Kotaro Isakas jüngstem Werk lautet „Three Assassins“. Die Titelhelden kommen ihren beruflichen Verpflichtungen mit der gebotenen Kaltblütigkeit nach. Der Dritte im Bund trägt den Nom de guerre „Zikade“.
Kurioserweise übertrifft der kreuzbrave, von jeder Raffinesse unberührte, dramatisch unbeholfene Suzuki die Profis. Zuerst lässt er sich als Hauslehrer von Kentarō und Kojirō anheuern. Dann … doch lesen Sie selbst.
Aus der Ankündigung
In der Unterwelt von Tokio begegnen drei kaltblütige Auftragskiller ihrem Meister: einem von Rache getriebenen Mathematikprofessor. Drei Auftragskiller mit eigenen Methoden: Die Zikade tötet mit dem Messer. Der Pusher stößt Menschen vor Autos. Und der Wal treibt seine Opfer dazu, sich selbst das Leben zu nehmen. Die Drei gelten in Tokios Unterwelt als unerreichte Meister ihres Fachs. Das ändert sich schlagartig, als sie auf Suzuki treffen, einen einfachen Mann und ehemaligen Mathematikprofessor, der ein glückliches Leben führte, bis seine Frau ermordet wurde. Suzuki bringt in Erfahrung, dass der Sohn des Mafiabosses der Großstadt für den Tod seiner geliebten Frau verantwortlich ist. Getrieben von Rache begibt sich Suzuki in die Unterwelt der Metropole, die damit für die Zikade, den Pusher und den Wal zur tödlichen Arena wird.
Zum Autor
Kotaro Isaka, geboren 1971, ist einer der international erfolgreichsten japanischen Krimi-Autoren der Gegenwart, der mit fünf der wichtigsten Japanischen Literatur- und Krimipreisen ausgezeichnet wurde. 14 seiner 24 Romane wurden verfilmt. Seine Bücher erscheinen in China, Korea, Thailand, Taiwan, Indonesien, Litauen, Russland, Italien und Frankreich.