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2023-08-13 09:13:09, Jamal

„Daß dasselbe Princip in seiner Unwirksamkeit uns trägt und hält, das in seiner Wirksamkeit uns verzehren und vernichten würde.“ Schelling

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„Passivität wird Europas Untergang sein.“ Sten Hellsten 1939

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„Für Brecht ist Kultur nur lebendig, wenn sie wie ein Löwe für ihre Rechte kämpft.“ Sten Hellsten

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„Der Kampf der fortschrittlichen Kunst - also auch des Theaters - muss zuerst gegen die Dummheit geführt werden.“ Bertolt Brecht 1945

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„Sie sollten sich über diesen Ungeist wirklich einmal orientieren.“ Adorno in einem Brief an Hans Magnus Enzensberger

Kulturkampf im Kalten Krieg

Der feuilletonistisch versierte Kulturbeamte, Brieffreund bedeutender Menschen und Dramaturg Egon Vietta träumt von der Revitalisierung einer antiken Idee. In der Frühphase der Adenauerära will er die Bühne wieder zum Schauplatz des Kultischen machen. Vietta verdammt das Subventionstheaters als bloße „Funktion im öffentlichen Haushalt“ (Quelle). In einem am 19. Oktober 1948 unter dem Titel „Bert Brecht am Zürichsee“ in der „Welt“ erschienenen Artikel rühmt er Brechts bühnentheoretische Übersicht. Zugleich behauptet er, der vor westdeutschen Türen vergeblich Einlass Begehrende habe nichts zu sagen. Vietta verwirft, worauf sich Brecht beruft. Der Kulturvehemente bezeichnet den Historischen Materialismus als „Rationalismus von vorgestern“, während er den bedeutendsten deutschen Dramatiker des 20. Jahrhunderts „rechthaberisch“ findet. 

Bertolt Brecht, „Unsere Hoffnung heute ist die Krise“, Interviews, herausgegeben von Noah Willumsen, Suhrkamp, 35,-

Brecht erschreckt Vietta mit einem Vorschlag. „Die (Ton angebende) Bühne (solle) vorbildliche Grundaufführungen festlegen und an die Provinztheater verleihen.“ Den Verfechter theatralischer Einmaligkeitsphantasmen entsetzt die Vorstellung von einer Serienproduktion im Kontext von Kulturleistungen - „wie in der Sowjetunion“.

Vietta erkennt in Brecht den stärksten Treiber eines zukunftsweisend-theoriebasierten Theaters. Die marxistische Grundierung lehnt Vietta zwar ab. Er lobt aber das starke Programm, und vermisst eine westdeutsche Avantgarde-Vision als Gegenparole im Kulturkampf. 

„Unser (westliches) Theater ist weder von einer / Idee noch von einem Glauben erfüllt oder ausgefüllt, sondern / hält sich über Wasser.“

In ausgesuchten Bildern arrondiert er die idyllische Umgebung, in der Brecht als Abgesprengter in der Schweiz existiert. Er schildert die missliche Situation eines „Heimatlosen“. In seinen Augen ist Brecht „ein verkappter bayrischer Theologe“.

Einen gänzlich anderen Blick auf Brecht offenbart ein Text des Autors und Astrologen Heinrich Christian Meier. Sein „Gespräch mit Bert Brecht“ erscheint am 16. November 1948 in dem britischen Lizenzperiodikum „Hamburger Freien Presse“.

Meier kreuzte nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im Umfeld von Otto Strassers  Schwarzer Front auf. Er war mit - dem im dänischen Bornholm exilierten - Hans Henny Jahnn befreundet. 1938 nahm die Gestapo ihn fest. Eine Verurteilung wegen versuchtem Hochverrat war der Auftakt zu einer Häftlingsodyssee. Meier diente als Moorsoldat und KZ-Funktionshäftling. 1944 wurde er in das SS-Strafbataillon Dirlewanger überstellt, so wie übrigens auch Alfred Neumann, ein späteres Mitglied des Politbüros des ZK der SED und langjähriger Erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats der DDR. Meier geriet in russische Kriegsgefangenschaft.

Meier betont Brechts Staatenlosigkeit, und hält sich mit dem Umstand auf, dass der wegen „unamerikanischer Umtriebe“ Inkriminierte Beschränkungen eines Delinquenten ausgesetzt ist.

„Bert Brecht kehrt über Prag in die Schweiz zurück. Es ist ein Umweg, aber die Amerikaner können den Gedanken nicht ertragen, dass ein fortschrittlicher Schriftsteller deutscher Abstammung auf dem Boden seines eigenen Landes übernachten sollte.“ Morgen mehr.

Aus der Ankündigung

»Unsere Hoffnung heute ist die Krise« Interviews 1926-1956

Bertolt Brecht besaß die Gabe, wie ein Zeitgenosse einmal bemerkte, in einem »Gespräch mit präzisen, drastischen Formulierungen« zu brillieren. Wie bekämpft man die Dummheit? Ist deutsche Kultur möglich? Gehört George Orwell an die Wand gestellt? Egal welche Fragen man an Brecht hat: In diesem Buch findet man seine überraschenden Antworten.  In 75 hier erstmals versammelten, größtenteils unbekannten Interviews, die sich über 15 Länder und eine ganze Karriere erstrecken, zeigt sich der große Klassiker der Moderne als wortmächtiger Medienkünstler. Sie rücken sein Werk nicht nur in ein neues Licht - sie bilden einen unkartierten Teil dieses Werkes selber.

Zum Autor

Bertolt Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren und starb am 14. August 1956 in Berlin. Von 1917 bis 1918 studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Naturwissenschaften, Medizin und Literatur. Sein Studium musste er allerdings bereits im Jahr 1918 unterbrechen, da er in einem Augsburger Lazarett als Sanitätssoldat eingesetzt wurde. Bereits während seines Studiums begann Brecht Theaterstücke zu schreiben. Ab 1922 arbeitete er als Dramaturg an den Münchener Kammerspielen. Von 1924 bis 1926 war er Regisseur an Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin. 1933 verließ Brecht mit seiner Familie und Freunden Berlin und flüchtete über Prag, Wien und Zürich nach Dänemark, später nach Schweden, Finnland und in die USA. Neben Dramen schrieb Brecht auch Beiträge für mehrere Emigrantenzeitschriften in Prag, Paris und Amsterdam. 1948 kehrte er aus dem Exil nach Berlin zurück, wo er bis zu seinem Tod als Autor und Regisseur tätig war.