Brechts Kampf gegen den Faschismus macht ihn zur Jahrhundertfigur. Die amerikanische Journalistin Anne Hornemann deutete Brecht 1945 als Leitstern der Emigration: „Eine künstlerische Flamme, die der Hitlerismus nicht ersticken konnte.“
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„Probleme sind zum Lösen da.“ Bertolt Brecht
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„Die ganze Literatur hängt mir kilometerweise zum Hals heraus und was ich wirklich möchte ist: Spazierengehen. Ich scheiß auf alles.“ Heinrich Böll
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“There is fiction in the space between/You and everybody.” Tracy Chapman
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„Alles, was wir tun, hat eine Folge. Aber das Kluge und Rechte bringt nicht immer etwas Günstiges, und das Verkehrte nicht immer etwas Ungünstiges hervor, vielmehr wirkt es oftmals ganz im Gegenteil.“ Goethe
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„Das ist die Grube. Noch ein Kolbenstoß:/ Er fällt. Die Erde steht auf ihn zu halten./ Er sieht den Himmel taumelnd, sonnenlos/ Von Feuerstößen riesig aufgespalten.“ Heiner Müller
Girlanden des Begreifens
Bis zu seinem Tod blieb Bertolt Brecht ein gefragter Mann. Die belegen nicht zuletzt jene - nun in einem Band versammelten - 91 Interviews, die der Dramatiker von 1926 bis 1956 gab. Das Zeitungsgespräch war eine junge journalistische Form, als Brecht 1926 von der „Literarischen Welt“ um eine publizistische Unterredung gebeten wurde. Zunächst sollte er dem Journalisten Frank Warschauer Rede und Antwort stehen. Es kam anders. Warschauer sagte ab. Für ihn sprang - am 30. Juli 1926 - Bernard Guillemin ein.
Vor der Befragung probte Brecht in einem „hypothetischen Interview … die neue Technik“.
„Das Interview selbst: Neumodisch und rätselhaft bricht es als publizistische Zumutung in den Schriftstelleralltag hinein.“
Die Simulation mündete in einem „komödiantischen Schlagabtausch“. Brecht erwog, wie er an den Fragen vorbei, Pointen für das Publikum am besten platzierte. Er fürchtete eine - dem Genre geschuldete - Banalisierung seiner Thesen.
Bertolt Brecht, „Unsere Hoffnung heute ist die Krise“, Interviews, herausgegeben von Noah Willumsen, Suhrkamp, 35,-
Im Präsens von Damals
Das erste Interview gewährt Brecht dem Journalisten Raimondo Collino Pansa. Brecht äußert sich abfällig über den „Italiener“, der für eine Zeitung arbeitet, die Mussolini mit „enthusiastische(m) Konformismus“ dient. In einem Artikel stilisiert Pansa den deutschen Shootingstar zum Antipoden einer antiquierten Moderne. Er macht Brecht zum Duellgegner des renommiertesten Theatermannes Deutschlands.
Max Reinhardt steht in der Schusslinie. Pansa findet seine Inszenierungen pompös, „zwar überreich an Farben, doch nicht reich an Leben und Dynamik“.
Im Pelz stört die weibliche Bourgeoise die von Pansa besuchte Baal-Aufführung im Deutschen Theater (wo Brecht gerade Dramaturg ist) mit einem Trillerpfeifkonzert. Es kommt zum Handgemenge. Die Polizei muss einschreiten.
„Theaterschlachten“ (Carl Zuckmayer) sind en vogue.
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Regina Reicherówna trifft Brecht in einem hochgelegenen Maleratelier. Der Dramatiker tritt in „lederne(r) Aeronautenjacke“ auf. Die Journalistin skizziert eine Scherenschnittszene; Brechts Silhouette in dem „von Sonne durchflutete(n) Atelier“.
Mediterrane Hotspots
Ich springe in die Exilzeit. Ein Jahr nach der nationalsozialistischen Machtergreifung besucht der beinah mittellose Walter Benjamin den im dänischen Exil noch saturierten Brecht. Der Gastgeber tritt als Hauseigentümer in einer Idylle nahe der Hafenstadt Svendborg auf.
„Das wahre Bild der Vergangenheit huscht vorbei.“ Walter Benjamin
Brechts Stücke werden diskutiert und gespielt. Der Dramatiker bezieht Tantiemen. Mit Helene Weigel und Margarete Steffin führt er eine „Ehe zu dritt“.
„Die Welt der Kanzleien und Registraturen, der muffigen verwohnten dunklen Zimmer ist Kafkas Welt.“ Walter Benjamin
Benjamin verstimmt Brechts harsche Kritik an einem Essay über Kafka - „Zur zehnten Wiederkehr seines Todestages“. In Verkennung von Benjamins Präzision urteilt Brecht: „Die Bilder sind ja gut. Der Rest ist Geheimniskrämerei.“ Quelle
Morgen mehr.
Aus der Ankündigung
»Unsere Hoffnung heute ist die Krise« Interviews 1926-1956
Bertolt Brecht besaß die Gabe, wie ein Zeitgenosse einmal bemerkte, in einem »Gespräch mit präzisen, drastischen Formulierungen« zu brillieren. Wie bekämpft man die Dummheit? Ist deutsche Kultur möglich? Gehört George Orwell an die Wand gestellt? Egal welche Fragen man an Brecht hat: In diesem Buch findet man seine überraschenden Antworten. In 75 hier erstmals versammelten, größtenteils unbekannten Interviews, die sich über 15 Länder und eine ganze Karriere erstrecken, zeigt sich der große Klassiker der Moderne als wortmächtiger Medienkünstler. Sie rücken sein Werk nicht nur in ein neues Licht - sie bilden einen unkartierten Teil dieses Werkes selber.
Zum Autor
Bertolt Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren und starb am 14. August 1956 in Berlin. Von 1917 bis 1918 studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Naturwissenschaften, Medizin und Literatur. Sein Studium musste er allerdings bereits im Jahr 1918 unterbrechen, da er in einem Augsburger Lazarett als Sanitätssoldat eingesetzt wurde. Bereits während seines Studiums begann Brecht Theaterstücke zu schreiben. Ab 1922 arbeitete er als Dramaturg an den Münchener Kammerspielen. Von 1924 bis 1926 war er Regisseur an Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin. 1933 verließ Brecht mit seiner Familie und Freunden Berlin und flüchtete über Prag, Wien und Zürich nach Dänemark, später nach Schweden, Finnland und in die USA. Neben Dramen schrieb Brecht auch Beiträge für mehrere Emigrantenzeitschriften in Prag, Paris und Amsterdam. 1948 kehrte er aus dem Exil nach Berlin zurück, wo er bis zu seinem Tod als Autor und Regisseur tätig war.