MenuMENU

zurück

2023-08-31 09:20:44, Jamal

Sehen Sie auch hier. Und hier. Und hier.

Der Herrenmensch 2.0 - Die Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln

Dekadenter Dynast

Johan ‚Jonny‘ Lundin ist ein Produkt alten Geldes, sein Familienname ein skandinavischer Türöffner. Die Lundin-Dynastie hütet einen privilegierten Zugang zum schwedischen Königshaus. Von jeher engagiert sie sich philanthropisch. Sie fördert die Kultur ihres Landes in einer transgenerationalen Weitergabe des Verantwortungsstabes. Sie ist lange genug reich, um Maßstäbe für Diskretion und Gediegenheit zu setzen. Ihre Distinktionsmarken sind Muster der Dezenz.

Entsprechend feingesponnen und spleenig erscheint Jonny als dekadenter Dynast. Alles offensichtlich Brutale geht ihm ab. Trotzdem haust er unter den Menschen wie die Axt im Wald. Die Autorin liefert ihre eigene Erklärung.

Auf den ersten Blick übersehbar ist die White-Supremacy-Komponente eines subtil gefilterten Rassismus. Ein Codewort lautet nordisch. Einer nigerianischen Spitzenkraft fehlt angeblich die Kompetenz für das Nordische. Das behauptet nicht nur der Tycoon Jonny, der mit seinen Angestellten wie mit Kegeln spielt, sondern auch sein engster Vertrauter. Ragnar personifiziert den Übergriff. Er verkörpert einen Dominanzanspruch, der jede Konstellation auflädt, an der er beteiligt ist.

Die Subalterne weicht vor Ragnar zurück. Er nutzt den freigegebenen Raum. Wie ein Bulldozer überrollt er die von einem Abstandswunsch erweiterten Flächen, die von der Angegriffenen in keinem Fall verteidigt werden können. 

Das Debakel einer nicht in Gang gekommenen Karriere

Auf einem Flug in die Vereinigten Staaten gräbt der schwedische Tycoon Johan ‚Jonny‘ von Lundin die Flugbegleiterin Brittany-Rae Johnson an. Deren Biografie überschattet das Debakel einer nicht in Gang gekommenen Karriere.  

Auf der Modedesignschule stach Brittany als Schönheit heraus. Ein Textildesignlehrer erklärte sich zu ihrem Manager. Er verführte die in Atlanta, Georgia, geborene Tochter jamaikanischer Migrant:innen nicht nur zum Modeln.

In der Handlungsgegenwart erscheint Brittany zunächst als lustlose British-Airways-Angestellte.

Lolá Ákínmádé Åkerström, „In allen Spiegeln ist sie Schwarz“, Roman, auf Deutsch von Yasemin Dinçer, 441 Seiten, Orlanda, 24,-

Gemeinsam mit dem Wirtschaftsanwalt und Ex-Basketballer Jamal lebt sie in Alexandria, Virginia, „zehn Autominuten von Washington DC“.  

Jamal will heiraten, Brittany ist sich nicht sicher, ob ihre Liebe groß genug ist für das volle Programm. Sie trifft Jonny bald wieder in einer Linienmaschine auf dem Weg nach London. Der gutaussehende Wirtschaftskapitän zieht das Ex-Model in seinen Bann. Sie nimmt eine Einladung zum Abendessen an.

Brittany trifft den Verführer im „butterblumengelben Frühlingskleid“. Die Begegnung findet im Canary Wharf statt, einer Gebäudeagglomeration auf der Isle of Dogs im Londoner East End.

Jonny ist ein Produkt alten Geldes, sein Familienname ein Türöffner. Die Lundin-Dynastie hütet einen privilegierten Zugang zum schwedischen Königshaus. Von jeher engagiert sie sich philanthropisch. Sie fördert die Kultur ihres Landes in einer transgenerationalen Weitergabe des Verantwortungsstabes. Sie ist lange genug reich, um Maßstäbe für Diskretion und Gediegenheit zu setzen. Ihre Distinktionsmarken sind Muster der Dezenz.

Trotzdem überrennt Jonny die Begehrte. Von Jetzt auf gleich fegt er Brittany aus ihren ursprünglichen Verhältnissen. Er überwältigt sie mit einem Mix aus Spleen und Strategie. Brittany lässt sich „verschlingen“ und bald vollständig vereinnahmen, da sie glaubt, endlich einen Mann gefunden zu haben, „der er ihr nicht ins Gesicht lügen kann“.

Auf einer korrespondierenden Erzählachse balanciert eine Geflüchtete aus Somalia. Muna Saheed lebt zunächst in einer Stockholmer Unterkunft, die von Lundin anonym finanziert wird. Die Selbstverbrennung eines syrischen Landschaftsgärtners bringt die Einrichtung in die Schlagzeilen. Endlich gelingt es Muna die Asylheimschranken zu überwinden, und in der schwedischen Mehrheitsgesellschaft einen Fuß in die Tür zu kriegen. Sie freut sich über den ersten Brief vom Skatteverket, dem Finanzamt, der sie im Bezirk Spånga-Tensta erreicht.

Die Dritte im Bunde der Romanheldinnen ist Kemi Adeyemi. Schwanken die Verhältnisse von Muna und Brittany zwischen traurig, trist und trostlos, so wirkt Kemi vom Glück begünstigt, auch wenn es mit dem Liebesleben der - von Lundin für sein Imperium angeworbenen - Marketing- und Diversitätsexpertin hapert. Zu Kemi morgen mehr.

Aus der Ankündigung

Ein mitreißender, tiefgründiger und bewegender Roman über drei ganz unterschiedliche beeindruckende, starke Frauen, den man nicht mehr aus der Hand legen will!

Die erfolgreiche Marketing- und Diversitätsexpertin Kemi Adeyemi wird aus den USA nach Schweden geholt, um ein PR-Fiasko im Zusammenhang mit einer rassistischen Kampagne zu beheben. Kann sie wirklich etwas bewegen oder ist sie lediglich das neue Aushängeschild?

Ein zufälliges Treffen in der Businessclass auf dem Weg in die USA katapultiert Flugbegleiterin Brittany-Rae Johnson in ein Leben voller Reichtum, Luxus und Privilegien – ein Leben, von dem sie nicht sicher ist, ob sie es will, und für das sie einen hohen Preis zahlen muss.

Muna Saheed, eine Geflüchtete aus Somalia, will in Stockholm endlich Fuß fassen und sich zugehörig fühlen, doch das fällt ihr wegen ihrer traumatischen Flucht und ihrer Zeit in einem Aufnahmezentrum für Geflüchtete in Schweden schwer. Ein Lichtblick sind ihre neuen Mitbewohnerinnen.

In allen Spiegeln ist sie Schwarz ist ein temporeicher, nuancierter und dennoch leicht zugänglicher Roman, der wichtige gesellschaftliche Themen wie Rassismus, Sexismus und Klassismus anspricht und zeigt, was es bedeutet, sich als Schwarze Frau in einer weiß dominierten Gesellschaft zurechtzufinden.