„Wir werden Menschen sein. Wir werden es sein, oder die Welt wird dem Erdboden gleichgemacht bei unserem Versuch, es zu werden.“ Eldridge Cleaver  

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„Brittany, deren Radar als Schwarze Frau stets in Alarmbereitschaft war, spürte, dass sein Misstrauen einen tieferliegenden Grund hatte.“ Lolá Ákínmádé Åkerström

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„Ihre Lage (die Lage Schwarzer Menschen in Frankreich) erinnert mich an die einstige Lage der mitteleuropäischen Juden in meinen Kinderjahren, als der Antisemitismus noch Glacéhandschuhe trug.“ Klara Blum

Prekäre Blase

Ein überwältigendes Angebot lockt die - in den Vereinigten Staaten mehrfach ausgezeichnete, im US-Maßstab einzigartige - Marketing- und Diversitätsexpertin Kemi Adeyemi nach Stockholm. Beim schwedischen Global Player Lundin Marketing übernimmt die gebürtige Nigerianerin die gerade - aus durchsichtigen Gründen - gegründete Abteilung für globale Diversität und Inklusion.

Lolá Ákínmádé Åkerström, „In allen Spiegeln ist sie Schwarz“, Roman, auf Deutsch von Yasemin Dinçer, 441 Seiten, Orlanda, 24,-

Der neue Arbeitgeber mutet Kemi einiges zu. Sie muss sich Mühe geben, ihre gute Laune nicht zu verlieren. Auf dem Weg zur Arbeit besucht sie ihren Lieblings-Latte- Barista. Der auffällig muskulöse Tobias ist auch in der Sicherheitsbranche tätig.

Die vor Exzellenz strotzende Kemi neigt zu Liebhabern, die ihr sozial nicht das Wasser reichen können. Im Büro ersetzt sie ihre „Sneakers durch High Heels“. Am anderen Ende der sozialen Leiter steht die aus Somalia geflüchtete Muna Saheed. Sie putzt die Büros von Lundin Marketing. Muna registriert den amerikanischen Akzent der Nigerianerin Kemi. Die statusstarke Abteilungsleiterin fasziniert Muna nicht weniger als die bildschöne Brittany-Rae Johnson, die als Geliebte des Konzernbosses Johan ‚Jonny‘ von Lundin in einer anders „prekären Blase (als Muna) schwebt“. Brittany spricht kein Schwedisch. Sie kann die Kodes der reichen Skandinavier:innen nicht dechiffrieren. Sie steht vor lauter unschönen Verhaltensrätseln. Ständig fühlt sie sich vor den Kopf gestoßen.

Jonnys irrlichtende Persönlichkeit stellt die Verhältnisse nicht weniger Leute von den Füßen auf den Kopf. Seine Liebe zu Brittany lässt sich von Freiheitsberaubung nicht richtig unterscheiden.  

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Auf der Modedesignschule stach Brittany als Schönheit heraus. Ein Textildesignlehrer erklärte sich zu ihrem Manager. Er verführte die in Atlanta, Georgia, geborene Tochter jamaikanischer Migrant:innen nicht nur zum Modeln. Nach einer nie richtig in Gang gekommenen Laufstegkarriere fand Brittany ihr Auskommen als Flugbegleiterin. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsanwalt und Ex-Basketballer Jamal lebte Brittany in Alexandria, Virginia, bis der Wirtschaftskapitän Jonny das Ex-Model in seinen Bann zog.

Die Leidenschaft und Liebe des schwedischen Milliardärs wirken auf mich wie Formen verkappter Gewalt. Die Autorin deutet ihn in einem Nachtrag, dem ich nicht vorgreifen möchte. Als Jonnys Gattin schwelgt Brittany im Luxus. Sie steckt in einem aus „Privilegien … gewebten Mantel“. Der Lundin-Familiensitz stellt sich als „unübersehbares Ungetüm“ dar. Das „Herrenhaus“ steht - eskapistisch wasserkantig - auf der Ostsee-Insel Gotska Sandön. Brittany lässt Hairstylistinnen aus London einfliegen. Inzwischen weiß sie, dass sie Gegenstand eines Fetischkultes ist. Jonny verrät sich kaum je. Die obsessive Dimension seiner Liebe bleibt ein gut gehütetes Geheimnis. Wenn er Kemi zu einer Party im kleinen Kreis einlädt, schämt er sich nicht, seine wahren Motive halbwegs offen preiszugeben. Kemi wäre bei einem solchen Anlass die einzige andere Schwarze Person mit Zugangsberechtigung.

Der Herrenmensch 2.0 - Die Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln

Unübersehbar ist die White-Supremacy-Komponente eines subtil gefilterten Rassismus. Ein Codewort lautet nordisch. Kemi fehlt die Kompetenz für das Nordische. Das behauptet nicht nur Jonny, der mit Kemi spielt, wie mit allen anderen, sondern auch Jonnys engster Vertrauter. Ragnar personifiziert den Übergriff. Er verkörpert einen Dominanzanspruch, der jede Konstellation auflädt, an der er beteiligt ist.

Kemi weicht vor Ragnar zurück. Er nutzt den freigegebenen Raum. Wie ein Bulldozer überrollt er die Flächen, die Kemi zwischen sich und ihm in keinem Fall verteidigen kann.  

Aus der Ankündigung

Ein mitreißender, tiefgründiger und bewegender Roman über drei ganz unterschiedliche beeindruckende, starke Frauen, den man nicht mehr aus der Hand legen will!

Die erfolgreiche Marketing- und Diversitätsexpertin Kemi Adeyemi wird aus den USA nach Schweden geholt, um ein PR-Fiasko im Zusammenhang mit einer rassistischen Kampagne zu beheben. Kann sie wirklich etwas bewegen oder ist sie lediglich das neue Aushängeschild?

Ein zufälliges Treffen in der Businessclass auf dem Weg in die USA katapultiert Flugbegleiterin Brittany-Rae Johnson in ein Leben voller Reichtum, Luxus und Privilegien – ein Leben, von dem sie nicht sicher ist, ob sie es will, und für das sie einen hohen Preis zahlen muss.

Muna Saheed, eine Geflüchtete aus Somalia, will in Stockholm endlich Fuß fassen und sich zugehörig fühlen, doch das fällt ihr wegen ihrer traumatischen Flucht und ihrer Zeit in einem Aufnahmezentrum für Geflüchtete in Schweden schwer. Ein Lichtblick sind ihre neuen Mitbewohnerinnen.

In allen Spiegeln ist sie Schwarz ist ein temporeicher, nuancierter und dennoch leicht zugänglicher Roman, der wichtige gesellschaftliche Themen wie Rassismus, Sexismus und Klassismus anspricht und zeigt, was es bedeutet, sich als Schwarze Frau in einer weiß dominierten Gesellschaft zurechtzufinden.