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2023-09-08 10:23:20, Jamal

The fate of the overpowering enemy was to achieve a result with superpower, that you would otherwise only be able to achieve with idiots. Jamal Tuschick

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„Ich wollte immer eine Form von Training, die für mehr als nur den Körper gut ist.“ Loud Reed

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„Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.“ André Gide 

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„Die einfachste Lösung ist normalerweise die beste.“ Amaryllis Fox  

„Ich meditiere, obwohl in mir die Teufel der Hölle tanzen.“ Daniela Alge

In den 1990er Jahren © Jamal Tuschick

Hochdeutsch im Hinterland

Der Freisitz, im Familienmund die Koppel, ist in Wahrheit ein schnöder Aussiedlerhof in einer Nutzflächenöde. Der Westfale Anton Steinbrecher nimmt mit dem Freisitz in der schwäbischen Wahlheimat lediglich vorlieb. Sein Nazitraum vom Siedeln im Osten platzte in Stahlgewittern. Er spricht darüber, als sei ihm widerrechtlich etwas vorenthalten worden und das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen.

Anton wähnt sich im Besitz einer höheren Wahrheit. Er unterstellt sich eine Prädestination. Nach eigener Einschätzung verfügt er über Rudolf Steiners Hellseherorgane. Er summt aber auch die Internationale und singt das Einheitsfrontlied: „Und weil der Mensch ein Mensch ist/Drum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern“.

Ernst Thälmann hat Anton noch live erlebt.

Ihnen erscheint Anton vielleicht als Erzkapitalist. Er selbst erlebt sich in erster Linie als Freigeist. Gunter Sachs ist ein Bruder im Geist, weil er sich nichts vorschreiben lässt. Anton trägt sein Haar wie Einstein, so unkonventionell. Dem ältesten Enkel und ersten männlichen Nachkommen offenbart er die Doppelgesichtigkeit seines Wesens in lauter Lektionen. Die Weltläufigkeit des in einem Yoga-Retreat auf Honolulu geborenen, zunächst zweisprachig aufgewachsenen Navin stockt in der südwestdeutschen Provinz. Hochdeutsch gilt in diesem Hinterland als Fremdsprache.

Im Präsens der Kindheit eines Thronfolgers   

Der Vater von sieben Töchtern und Herrenreiter von eigenen Gnaden initiiert den Großsohn. Navin soll in Antons Fußstapfen treten und die Kleinzucht rund um die Stuten Antje und Gräfin zum Gestüt hochjazzen. Gräfin ist eine Tochter von Antje und die Mutter des vielversprechenden Apfelschnitz. Den halbwüchsigen Hengst erwartet eine glänzende Turniersiegerzukunft. Falls Sie die Angaben überprüfen wollen, Apfelschnitz startete unter dem Prunknamen Othello-Tornado.

Erleuchtungssehnsüchtig trekkte Navins Mutter ein Jahrzehnt auf der transkontinentalen Heerstraße yogamatter Wahrheitssucherinnen. Seit ihrer kaum freiwilligen Rückkehr unterrichtet Doris spirituelle Gymnastik an der Pforzheimer Volkshochschule. Als ledig gebliebene, gesellschaftlich desaströs instinktlose Schwester führt sie ein Schattendasein im Kreis krachend lebhafter Steinbrecherinnen. Ihr nach allen Seiten hin gefährdeter Abschnittsgefährte Raimund verstärkt die isolierende Trostlosigkeit.

Doris hat Navin von einem greisen Guru, der die Geburt des Knaben nicht mehr erlebte. Raimund spielt weiter keine Rolle. Navin hält sich an die vitale Verwandtschaft. Er vagabundiert durch die Haushalte seiner Tanten, wenn er nicht bei den alle übertreffenden Großeltern residiert.

Es gibt niedrige und gleichrangige Angehörige. Viele Männer, die für Anton arbeiten, gehören zur weitläufigen Verwandtschaft.  

Es geht darum, jeden nach seinen Fähigkeiten einzusetzen, erklärt der große Organisator. Anton rüstet Navin mit einem Karabiner aus. Der Novize genießt den Ladevorgang von der ersten Patrone an. Gewissenhaft zielt er über Kimme und Korn.

Navin vertieft sich in das Druckpunktexerzitium. Er absolviert die Lektionen in der Reitschule Mack.

Reiten. Schwimmen. Schießen. Diese Fähigkeiten nimmt der Patriarch nicht auf die leichte Schulter. Die beste Reiterin der Familie erhält den Auftrag, Navin auf Herz und Nieren zu prüfen. Hunderte von (im Reiterstübchen auf Tafeln verrottenden) Ehrenzeichen und wenigstens hundert auf Regalen glanzlos gewordene Pokale erinnern an Veronikas Erfolge als Springreiterin.

Navins sportlichste Tante sicherte sich ihr Alleinstellungsmerkmal in einer großen Familie als Wildfang. Ungestümer und mutiger als ihre Schwestern zu sein: das entsprach Veronikas Mädchenart, sich zu unterscheiden. Schon mit achtzehn bekam sie ihre Tochter Alissa. Die ledige Mutter ist verschossen in den niedlichen Neffen. Bei jeder Gelegenheit reißt sie sich los von ihren Verpflichtungen, um mit Navin exklusive Erlebnisse für das Erinnerungskonto zu sammeln.

Veronika schließt gerade ihr Studium der Byzantinische Archäologie und Kunstgeschichte in Heidelberg ab.