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2023-09-14 09:35:23, Jamal

„Wie überall, ist der Pöbel barbarisch und kennt kein Mitleid.“ Gustave Aimard

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„Wir leben heute viel länger als je zuvor. Aber nicht viel besser.“ David A. Sinclair

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„Der britische Kernphysiker und Molekularbiologe Jeremy Hayward (sagt): ‚Manche durchaus noch der wissenschaftlichen Hauptströmung angehörende Wissenschaftler scheuen sich nicht mehr, offen zu sagen, dass das Bewusstsein neben Raum, Zeit, Materie und Energie eines der Grundelemente der Welt sein könnte.‘“ Wanda Badwal  

Ca. 1980 © Jamal Tuschick

Abergläubische Spekulationen

Estimating the Prevalence of Malicious Extraterrestrial Civilizations - Schätzung der Prävalenz bösartiger außerirdischer Zivilisationen.“

So lautet der Titel einer Arbeit von Alberto Caballero, Quelle. Der Astronom reflektiert über unsere Vulnerabilität im Verhältnis zu extraterrestrischen Aggressoren. Der offiziell spukresistente Tayfun Yıldız neigt heimlich zu abergläubischen Spekulationen. Navin Steinbrecher, der siebzehnjährige Neffe seiner Ehefrau Veronika, kommt ihm immer mehr wie ein gut getarnter Alien vor; wie ein Bruder im Geist von E.T. oder Alf, der in den Weiten des Weltraums sozialisiert - und mit maximaler Kaltblütigkeit auf die Menschheit losgelassen wurde.

Lokale Hierarchie

Als einzige Familie im Enzkreis haben die Yıldız‘ ein Fünfundzwanzigmeterbecken im eigenen Garten. Der gebürtige Istanbuler Tayfun  rangiert als kardiologische Kapazität im Weltmaßstab in jeder lokalen Hierarchie weit vorn. In seiner Kraichgauer Privatklinik erscheint er wie eine osmanische Ausgabe des von Klausjürgen Wussow süffig verkörperte Professor Brinkmanns. Ein Leben in Weiß, ob auf dem Tennis- oder am Arbeitsplatz. Tayfun besitzt diese V-Kragensouveränität, die man sich nicht einfach abgucken kann. Seine Gattin, die schönste und sportlichste der sieben Steinbrecher-Töchter, ist im Augenblick der Ereignisse eine Vierunddreißigjährige, nach der sich Goldkettchenträger den Hals verrenken; über die nicht Wenige vor dem Einschlafen nachdenken, da sie sich nicht nur extrem attraktiv und perfekt arrondiert den kritischen Marken nähert, sondern als eine der vormals erfolgreichsten Württembergischen Turnierreiterinnen sogar für sich selbst genommen etwas darstellt.

Ist das nicht beinah zu viel des Guten? In Veronikas persönlicher Verandaschaukel kauernd, mustert Marianne Pollock die jugendliche Schlüsselbeinfragilität von Issas Dekolletees. Veronikas Tochter Alissa, kurz Issa, badet vor Veronikas drittbester Freundin in der Sonne. Issas Vorzüglichkeit betont eine hauchfeine Goldkette, beschwert von einem winzigen Saphir.

Das Kleinod (ein Geschenk von Navin, Anmerkung des allwissenden Erzählers) schmückt Issa noch nicht lang. Die Hausherrin serviert hausgemachten Kartoffelkuchen und bei Luigi in Bretten gekaufte Amaretti morbidi auf Rosenthal-Porzellan. Die Figur, das Geschirr, der Mann, die Tochter, der wettkampftaugliche Pool: Gut. Teuer. Beeindruckend. Grazil. Gigantisch.

Das sind Kampfansagen. Die Botschaft lautet: bloß, weil eine nicht absäuft, heißt das noch lange nicht, dass sie bei uns mitschwimmen kann.

Strategisches Lächeln

Marianne lächelt strategisch in die Runde. Sie fühlt sich nicht auf der Höhe. Seit ein paar Tagen schon findet sie sich mutloser und schlapper als sonst.

Mutter und Tochter tauschen sich gereizt aus. Issa erträgt Veronikas straffe Jugendlichkeit kaum; diesen Willen, der Schwerkraft des Alterns zu trotzen. Warum kann sich diese Frau nicht so benehmen wie andere Mütter auch? Tayfun schaltet sich ein und klemmt sich dazwischen. Er liebt die Rolle des Vermittlers beim Dauerstreit seiner Frauen.

Aus den Augenwinkeln registriert er eine Ameisenkolonne auf seiner Terrasse. Der Roten Feuerameise gelang erst vor Kurzem die Überquerung des Mittelmeers. Sie setzt nun ihre Invasion auf europäischen Boden fort. Wieder so ein weitgehend unbeachteter Angriff auf überkommene Lebensformen. Tayfun käut in Gedanken eine Lektürefrucht wieder. Aufgeschnapptes Wissen.