„Wenn man nicht selbst weiß, wofür man lebt, dann wird die Gesellschaft das für einen entscheiden.“ Viktor Frankl
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„Die drei teuersten Dinge, die ein Hirn tun kann: deinen Körper bewegen, etwas Neues lernen, Ungewissheit tolerieren.“ Lisa Feldman Barrett in einem Interview mit Nele Pollatschek in der Süddeutschen Zeitung am 06.07. 2023, Quelle
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„Wir wissen alle, was eine Emotion ist, bis wir gebeten werden, sie zu definieren.“ Jan Plamper
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„Hans und Franja standen beieinander, äußerlich sehr korrekt und doch wie eingeschmolzen in eine Lichtflut gemeinsamer Schönheit.“ Klara Blum
Ca. 1980 © Jamal Tuschick
Gezügelter Vorwitz/Der heiße Wille zum Affront
Alissa, kurz Issa, hasst die Superpower ihrer penetrant siegreichen Mutter. Die promovierte Hausfrau Veronika springt vor lautet Esprit und Elan im Dreieck. Als ehemalige Springreiterin (manche sahen in ihr eine Regionalausgabe von Helena Weinberg) ist die mit dem Privatklinikchef Tayfun Yıldız verheiratete Lieblingstochter des Selfmade-Millionärs Anton Steinbrecher über den Landkreis hinaus so berühmt, dass sie sogar in Stuttgart auf der Straße lobende Ansprachen über sich ergehen lassen muss.
Issa findet die ungeniert mit wildfremden Leuten quatschende Mutter peinlich. Die zu ihrer Verstärkung hinzugezogene Freundin Marina, kurz Ina, unterläuft Issas heißen Willen zum Affront. Zwar verhehlt sie höflich ihre Bewunderung für die Superfrau Veronika, doch gestattet sich die schwäbische Beamtentochter keine schmälernde Geste. Im Reich der Yıldız entdeckt Ina nichts, was sich kritisieren ließe. Das Fünfundzwanzigmeterbecken, mit dem Issas Stiefvater sämtliche Mitbewerber:innen um den ersten Platz an der Enzkreis-Sonne aus dem Feld schlägt, erlebt Ina als Monument unangreifbarer Überlegenheit.
Reaktionäre Kinder
Dem Trotz ihrer Tochter zum Trotz serviert Veronika dem Nachwuchs Eiskaffee. Issas unbewusste Rage (die unbewusste Dimension der töchterlichen Rivalität) trifft die Mutter wie eine Druckwelle. Auch Veronikas Nerven liegen blank, seit sie weiß, dass ausgerechnet ihr Neffe und Liebhaber Navin als Issas erster richtiger Freund gehandelt wird. Offenbar spielt sie mit ihren Verwandten gerade die „Reifeprüfung“ auf Schwäbisch nach.
„Die Reifeprüfung … erzählt, wie (ein) College-Absolvent … nacheinander zwei verbotene Beziehungen eingeht: zunächst die zu einer verheirateten Frau, dann die zu ihrer Tochter.“ Quelle
Der Sohn von Veronikas Schwester Doris teilt mit Issa das Schicksal der Einseitigkeit. Beide haben echte Mütter und falsche Väter. Navins Vaterersatz (ich rede von dem esoterischen Knallkopf Raimund) ist noch verkehrter als Tayfun, der osmanische Überflieger mit den eingerahmten Danksagungen weltberühmter Patient:innen an einer Arbeitszimmerwand.
Heimlicher Humor und unverwüstlicher Optimismus bestimmen Veronikas Wesen. Sie genießt ihre weißen Privilegien in vollen Zügen. Belustigt betrachtet sie das Kreuz, das Ina noch nicht lange an einer Halskette trägt. Veronika hält das Kreuz für das Accessoire einer Gläubigkeitsmode unter reaktionären Kindern. Die Archäologin weiß, durch welches Einfallstor das Christentum kam, um den antiken Götterhimmel zu verdunkeln. Das Volk bemerkte bei den Gottheiten Verheißungsversäumnisse. Die spirituellen Auslagen der überirdisch Nahbaren boten das überschaubare Angebot fliegender Händlerinnen. Sie lockten nicht mit Discountheil- und -vergebung. Ein Mangel an haltlosen Versprechungen leistete dem Christentum Vorschub.