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2023-09-22 07:56:01, Jamal

“Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.” Arthur C. Clarke

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„Mein Körper warnt mich vor jedem Wort.“ Franz Kafka

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Larven der Anpassung

Narzisstische Perverse verbergen ihr toxisches Potential unter einem Mantel aus Charme. Ihr Größenwahn versteckt sich hinter Larven der Anpassung. Sie gerieren sich vorbildlich, obwohl sie keinerlei moralische Skrupel kennen. Das behauptet Marie France Hirigoyen in ihrer Warnschrift „Die toxische Macht der Narzissten“. Die Psychoanalytikerin formuliert so engagiert, als stünde sie in einem Kulturkampf gegen die Narzisst:innen, die sich wie Untote des gesunden Seelenfleisches der Übrigen bemächtigen. Die Vitalität der Narzisst:innen entspringt einem veritablen Vampirismus. Sie entreichern ihre Beute auf allen Ebenen. Auf ihren Raubzügen wappnen sie sich mit „Konfliktimmunität“. Sie lassen sich auf eigene Fehler nicht ansprechen.

Marie-France Hirigoyen, „Die toxische Macht der Narzissten“

Narzisstische Perverse sind „leere Hülsen, die zu täuschen versuchen, aber gar keine Substanz haben“. Sie „fallen in das psychische Territorium eines anderen ein“. Ihre „Beute bewegen sie zu … Fehlverhalten“, um die Beute besser „disqualifizieren“ zu können.

Mit meiner Oma um 1965 © Jamal Tuschick

Stoisch träumend

Rächer treten aus den Schatten der Nacht und verkünden ihre Botschaften ohne Schalldämpfer. Regnet es, naht die Sintflut. Alle Phänomene stammen aus einer göttlichen Hutschachtel der Überfülle. Die Charaktere auf Navins innerer Bühne zeichnen sich vor kubistischen Kulissen ab. Stoisch träumend mistet der Siebzehnjährige den Stall aus. Den Mist fährt Anton Steinbrechers Enkel im Schubkarren zu der von ihm selbst gegossenen Platte. Seit ein paar Jahren verlangt die - von vielen Reiterhofbetreiber:innen einfallsreich missachtete - Düngeverordnung eine Melde- und Aufzeichnungspflicht für Abgeber:innen und Verwerter:innen von Pferdeäpfeln. Navin wurde im Geist eines freihändigen Umgangs mit gesetzlichen Vorschriften erzogen. Befreundete Bäuerinnen versorgen sich selbstbestimmt mit dem Nährstoffbooster. (Der Trester aus der Mostpresse wird übrigens vom Förster als Rehfutter eingezogen.)

Im Enzkreis schalten die Grundbesitzer:innen nach alter Väter Sitte. Sie sind einander kaum je grün und einig nur in der erbitterten Subversion gegen staatliche Stellen.

Navin neigt zum Selbstgespräch und zu regelrechten Ansprachen mit imaginärem Auditorium. Er gibt sich selbst Tipps und ermutigt sich. Selbstkritik vermeidet er. Bei allem orientiert er sich am Großvater, der keine Selbstzweifel zu kennen scheint.

Navin nimmt Anton als fehlerfreien Sieger wahr.

Seit Anton seiner Tochter Veronika auf die Schliche gekommen ist, sind Großvater und Enkel noch einmal anderes verschwörerisch verbunden. Der Alte hält Navin für das willenlose Werkzeug einer Narzisstin. Er bedauert auch Veronikas grandiosen Gatten Tayfun.

Ist es nicht der Überfluss, der zum Verdruss führt? Jedem Spatzenlaut entnimmt Anton philosophische Prisen. Schopenhauer definiert Genialität, als „die Fähigkeit, sich rein anschauend zu verhalten“. Elegisch gestützt auf eine Forke, präsentiert sich der kaum alphabetisierte Selfmade-Millionär im blütenweißen Seidensticker Hemd, mit schlohweißer Mähne.

Anton umgibt eine Aureole.

Sogar in einem Kreis enthemmter Spießbürger wirkt seine Autorität. Gerade verabschiedet er die Jagdgesellschaft eines Amigos. Gunter von Schleißheim besitzt eine Eigenjagd bei Bad Herrenalb. Er und seine schießgeilen, ständig beschickerten, lustvoll derben Spießgesellen brettern in ihren Limousinen auf dem Weg zum Revier gern über die - dem land- und forstwirtschaftlichen Verkehr vorbehaltene - Piste, die zu Antons Freisitz führt. Der zum Gestüt hochgejubelte Aussiedlerhof liegt in einer aufgelockerten Ackeröde. Für Abwechslung sorgen Baumgruppen, Feldhaine und ein von schäumendem Weißdorn überzogener Wiesenhang.  

Im Familienmund heißt das Anwesen Koppel. Anton entfaltet sich seit Jahrzehnten gutsherrlich auf der Koppel. Schon lange kann er seine obsessive Lagerfeuer-, Bratapfel-, Fahrten-, und Reiterliederromantik nicht mehr als väterlichen Dienst an den Töchtern ausgeben. Seine Sieben sind erwachsen und bilden (abgesehen von Navins Mutter Doris) mit ihren Männern und Kindern einen Außenring um den Stammsitz.

Doris fristet in der Obhut ihrer Eltern das triste Dasein einer fast mittellos-ledigen Gymnastiklehrerin. Navin meidet seine Mutter. Ihre elende Daseinsweise kränkt ihn. Er verachtet das Chakren- und Karma-Gedöns der Aussteiger:innen rund um Doris.

In der militärischen Zeichensprache gibt Gunter den Befehl zum Aufsitzen. Johlend wirft sich die Bande in ihre Fahrzeuge. Anton trotzt dem ungehobelten Abgang in einer Staubwolke.

Navin nimmt das Bild einer unausgesprochenen Kritik in sich auf.