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2023-11-17 10:16:34, Jamal

Sinnlicher Hase

„Später am Abend hockten die Kerle an der Bar wie sinnliche Hasen und machten Männchen.“ Ulrike Draesner

High Society Hase

Die Witwe des Montrealer Moguls zog sämtliche Register der Raffinesse. Sie wusste, wie der Hase der High Society lief.

Mein Name ist Hase

Wenn ich ausraste, dann grollt ein Staat. Guten Tag, mein Name ist Hase aka Gero Mansfeld, ich bin Offizier im besonderen Einsatz. Wir schreiben das Jahr 1986. Ich habe gestern einen guten Stuhl auf dem Rücken eines Arbeiterverräters halbiert, darauf bin ich stolz. Der Kulturlappen fand meinen Einsatz - mit Haut und Haaren für die Revolution - erstaunlich. Kurz sah ich mich als Adepten einer abergläubischen Blutreligion, ich glaube aber, das ist zu viel Macbeth.  

Laufhäsin

Ja-young läuft hinter Hyun-joo her. Sie nimmt die Energie der Vorläuferin wie mit einem Rüssel auf. Auf Kommando überholt sie die Schönere und Schnellere und dient dem Ansporn. Sie gibt die Häsin, während Hyun-joo in allen Positionen bestimmend bleibt.

Nach einer Szene aus Ka-ram Hans Kinodebüt „Our Body.   

Falscher Hase

Das „Sonnenstudio“ ist Galerie und Restaurant, Tillmann besetzt einen Nischenplatz und bestellt „Falscher Hase“, eine Erdbeerwurstkreation aus dem Hause Teichmann. Auf dem Top der Bedienung steht „Kunststudentin“. Die Ironisierung der Wahrheit weist auf etwas schwer Verdauliches hin.

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Um 1990 © Jamal Tuschick

Herzhase

Während Oma von Peinlichkeitsregungen regiert wurde, trat ihre Schwester Erika mit dem hunderttausend Mal kopierten, vermutlich faschistischen Schwung von Marika Rökk auf. Das war Oma auch peinlich. Auch ich war ihr peinlich, als dunkles Kuckuckskind. Erika lachte herzlich über ihre genante* Schwester. 

*von genieren

Ich werde nie vergessen, wie Erika Omas Bedenken vom Tisch fegte, aufgehellt vom mitgebrachten Likör, dem sie ausdauernd zusprach. Ich sehe Oma noch mit hochgezogener Oberlippe hasenherzig nippen. Erika kippte. Sie schloss den Vorgang ab, indem sie sich mit dem Handrücken tatkräftig über den Mund fuhr. Dazu das Ewige: So jung kommen wir nicht mehr zusammen. 

Toter Hase

Ludwig stellt sich ... als toten Hasen mit strammgezogenen Läufen vor. Er malt sich aus, wie … das Fell über die Ohren gezogen wird.  

Geschossener Hase

Irgendwo bringt Heiner Müller seinen Großvater mit Lenin zusammen, der eine sucht Pilze, der andere schießt Hasen. Man trifft sich im Einvernehmen. Müller malt Gesichter auf das Schreibpapier. Den Mündern setzt er Schaum vor. Er schreibt: „Wenn die Menschheit sich endlich der Parteidisziplin unterwirft (und die Partei ihren) Platz einnimmt am Steuer des Planeten.“ Ja, dann.

Der Hase im Pfeffer der Untreue

Leander Haußmann liegt im Hotelbett nicht allein, wie er sollte. Freundin Christiane ruft an und hört aus seiner Einsilbigkeit, wie ihr Hase im Pfeffer liegt: „Du bist doch nicht allein.“

„Bin ich doch.“

„Wenn neben dir keine Frau liegt, dann kannst du doch auch sagen: „Neben mir liegt eine blöde ....“

Siehe Leander Haußmann, „Buh, Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück“

Alter Hase

An einem Frühlingstag im Jahr 1612 duellierte sich Miyamoto Musashi mit Sasaki Kojirō auf Ganryū-jima. Zur Poesie der Begegnung zählt ein langer Riemen über psychologische Kriegsführung. Musashi, damals ein alter Hase von dreißig Jahren, ließ seinen Gegner schmoren. Er trat mit einem Holzschwert an, geschnitzt aus einem Ruder. Sasaki kannte man als Meister extralanger Kaltwaffen. Musashis Gegenmittel mochte stumpf sein, es war indes noch länger als Sasakis legendäres Ōdachi Monohoshizao.

Stallhase

1982. Willi und Heinz fahren zu einem MfS-Gästehaus am Ostberliner Friedrichshain. Hanne Strauß kommt Willi auf der Freitreppe entgegen, sie bewirtschaftet die Einrichtung mit ihrem Horst. Hanne findet Willi vorbildlich, sie serviert Kaffee und Kuchen im Garten. Eine Mauer begrenzt den Garten, es gibt ein paar angefangene Bauarbeiten, aber kein Zeichen von Mangel auf dem Anwesen. Horst versucht seine Frau zurückzupfeifen, Hanne kann erst einmal nicht anders, als sich wie eine private Gastgeberin aufzuführen. Ein Genosse erweitert die Kaffeerunde, Schäfer, HVA. Ein Major in Zivil. Er spricht so undeutlich wie Peter Scholl-Latour.

Horst ist ein anderer Heinz, bieder, verträglich, bequem und birnenförmig. Massig, quallig, großporig. Wie eine Made, die aus dem Arsch atmet, denkt Willi beim Anblick des Wirtschafters. Horst versorgt seine Hasen, die Ställe stehen an einer Hauswand. Die Geräusche im Friedrichshain spielender Kinder überwinden die Mauer. Schäfer rückt auf, traut begeht man die blaue Stunde. Hanne bringt Schnittchen und begibt sich dann wieder außer Hörweite, aber mit Sichtkontakt zum Major in Habachtstellung. Heinz und Schäfer sind brillante Biedermänner, unglaubliche Schauspieler, wohl auch mit großem Vergnügen an ihrem Metier. Plötzlich hat Schäfer eine Pistole in der Hand: „Sie sind festgenommen.“

Osterhase der Promiskuität

Im Atelier des Malers steht ein Bett für außerehelichen Mittagsbeischlaf. Der Maler erwartet von seiner Frau, dass sie bei Bedarf an den Osterhasen glaubt. Dabei nimmt er ihr die überlieferten Möglichkeiten, seine Promiskuität in ihr Familienkonzept einzubauen. Frei nach Tahar Ben Jellouns Roman „Eheglück“.  

Hasenbrot  

Mit dem Willen zur richtigen Aussprache sprach mein Vater Fremdwörter besonders falsch aus. Savoir-vivre war ein Zungenbrecher. Savoir-vivre hatte man nicht zu haben. Der Fisch aus der Konserve genügte nicht nur, vielmehr gab es nichts Besseres vor dem Latrinenmenetekel „der schlechten Zeit“, die in den Köpfen weiterging, mit Feuerstürmen, Brandleichengestank und Hunger.

Die Haltbarkeit von Lebensmitteln in Büchsen war ein unerschöpfliches Thema. Die Konservenbatterien im Kellerregal verminderten eine tiefliegende Sorge.

Was für den Hering galt, galt selbstverständlich auch für das halbe Hähnchen aus dem Wienerwald nicht nur als kulinarischer Klimax und bald zerlegtem Mahnmal des ausgestandenen Hungers über die Kriegszeit hinaus, sondern auch als äußerst seltene Alternative zum Hasenbrot, das stets mir zufiel. Hatte mein Vater auf der Arbeit sein Pausenbrot nicht gegessen, bekam er abends etwas Anderes. Ich kriegte das Hasenbrot. Die Ungerechtigkeit ließ sich nicht besprechen. Sie hatte die Macht des Wetters, das man sich auch nicht aussuchen konnte.

Schneehase

Zurück auf Los. Ich gehe auf die dreißig zu, unterrichte Deutsch für Auslände:innen in Frankfurt-Hoechst nach lächerlichen Vorgaben, frequentiere einen Waschsalon, sehe französische Krimis in der kommunalen Filmwerkstatt, reagiere euphorisch auf die Wiedervereinigung und verliebe mich in einen Wippersdorfer Schneehasen.

Horizonthase/Steinzeitliche Hasengemeinschaft

Hasenhorizont - Die Hasenleute glaubten, ihr Horizont sei identisch mit den Grenzen, die ihnen vom Großen Hasen im Universum gesteckt worden waren.

Eines Abends erklärte Cole von Pechstein in der Umkleide: „Wozu einer vom großen Trainer an seinen Platz gestellt wurde, weiß kein Mensch von sich aus. Das muss ihm erklärt werden.“

Hinnahme statt Hingabe

Wir waren zu erschöpft für jede weitere Lektion. Wir konnten nichts mehr aufnehmen, sondern alles nur noch hinnehmen. Hinter uns lagen zwei Stunden, in denen uns alle Kraft abverlangt worden war. Wir fühlten uns ausgewrungen, obwohl wir, so sagte es Cole, „lediglich das Notprogramm“ absolviert hatten. An sich galt die Devise:

The training is right if you are not exhausted. You should feel fitter after the workout than before.

Aber natürlich galt auch das Gegenteil. Ich weiß nicht mehr, warum wir an diesem Abend in der Kabine hängenblieben. Mit wir meine ich den harten Kern der Leistungsgruppe. Wir eiferten Cole nach. Seit seinem vierten Lebensjahr trainierte er Karate, die längste Zeit bei seiner in Japan aufgewachsenen und da initiierten Tante Maeve. Sechs Jahre hatte er in klösterlicher Strenge die Kampfkünste studiert. Er brannte für seine Sache.

Nicht jeder bringt für seine Begabung genug Leidenschaft auf.

Unter uns war aber keine/r, die/der nicht für karatebesessen gehalten werden musste. Cole veranstaltete Repetitorien. Das waren Pflichttermine. Cole predigte die geistigen Grundlagen. Kampf sei Kopfsache, verkündete er.

If you want to go the way of the gorilla, you should ask yourself at least once: Who brings whom to the zoo? Intelligence is the fang of the predator man. No one more stupid than you can defeat you unless you allow him.

Intelligence functioned as a source of advantage long before humans were able to functionalize it.

How could intelligence become an evolutionary advantage? But only by working in a way that bypasses consciousness. The key is in a place where you don’t expect it. Namely, much further ahead than you think.

At first, modern man played out his advantages unconsciously. And if the benefits hadn’t been easy to achieve, we wouldn't exist anymore.

Intelligence is speed and speed kills.

Cole prägte Merksätze, in der Regel auf Englisch; darauf komme ich zurück. Oft erfand er Gleichnisse; so wie das Hasengleichnis, das ich jetzt kolportiere. 

Meine Lieben, stellt euch eine steinzeitliche Gemeinschaft vor. Sie existiert isoliert in einem weitgehend abgeschlossenen Raum. Ihr Totemtier ist der Hase. Hasenohren sind eine Zierde. Seit Generationen glauben die Hasenleute, ihr Horizont sei identisch mit den Grenzen, die ihnen vom Großen Hasen im Universum gesteckt wurden. Plötzlich taucht ein Hirsch auf. Ein Hasenmann erlegt den Hirsch mit seiner Hasenschleuder. Sofort bricht er mit allen Traditionen. Nun ist der Hirsch sein Totemtier. Das Geweih trägt er als Kopfschmuck. An der sakralen Hasenverehrung und der profanen Hasenjagd beteiligt er sich nicht mehr. Er wird zum Außenseiter. Schließlich separiert er sich in eine andere Wildnis. Da springt ihn ein Puma an. Der Hirschmann besiegt den Angreifer. Fortan ist er der Pumamann. Er schmückt sich mit Klauen und Zähnen. Die Moral von der Geschichte: Wer ihr seid, wisst ihr erst, wenn jemand es nötig findet, euch an seinen Überschüssen zu beteiligen, wie unfreiwillig auch immer.

You need a force you can’t defeat.

You benefit from the power of the enemy if he uses his power against you.

Blonde Rivalen

Cole baute die Geschichte aus. Er gab uns einen Abriss über die Handicap-Theorie von Amotz and Avishag Zahavi. Er behauptete, dass uns nur Gegner:innen weiterbringen, die nach der Handicap-Theorie als Begünstigte ins Feld kommen.

“The length of the mane is a social signal to male conspecifics and can be interpreted as an indication of fighting strength among rivals. Therefore, this signal of physical fitness reduces the likelihood of risky fights.” Amotz and Avishag Zahavi, zitiert nach Quelle, übersetzt mit KI.

Männliche afrikanische Löwen können eine eindrucksvolle dunkle Mähne entwickeln. In der Serengeti beobachteten Forschende einen Zusammenhang zwischen der Mähnenfarbe und dem Testosteronspiegel. Je dunkler, desto mehr. Die exklusive Färbung verweist auf ein Handicap. Die dunkelmähnigen Löwen sind einem größeren Hitzestress ausgesetzt als ihre blonden Rivalen. Der Nachteil erhöht ihre Attraktivität. Sie sind bevorzugte Sexpartner, während ihre Konkurrenten vor ihnen zurückweichen.  

“Waste can be useful because it shows conclusively that you have more than enough. Just the effort makes the statement reliable.” Amotz and Avishag Zahavi

Irgendwann verwandelt sich der Vorteil wieder in einen Nachteil.  

Sexy Sons Hypothesis/Merkmalsextremismus

Von Richard Dawkins wissen wir: „Von wirklicher Bedeutung für die natürliche Selektion ist das Überleben der Gene.“ Dem Pfauenmännchen kann man folgende Formulierung in den Mund legen: Wenn ich mir unauffällige Federn wachsen lasse, werde ich vermutlich lange leben, aber ich finde keine Partnerin. Wenn ich bunte Federn hervorbringe, sterbe ich wahrscheinlich schon früh, aber vorher kann ich eine Menge Gene weitergeben, darunter auch diejenigen für die Herstellung bunter Federn.

Charles Darwin glaubte an einen Swing von weiblichen Partnerwahlpräferenzen und männlichem Selektionsdruck. Der britische Statistiker und Evolutionstheoretiker Ronald Aylmer Fisher (1890 - 1962) griff Darwins Idee von einer natürlichen Optimierung auf, um ihr zu widersprechen. Fisher etablierte die sexuelle Präferenz als Komplementärkategorie zur natürlichen Selektion. Die Bevorzugung von Merkmalen führt nach der Sexy Sons Hypothesis zur Durchsetzung von männlich konnotierten Farben und Formen. Interessant ist hier die Geringfügigkeit eines Farbvorteils, der in evolutionären Prozessen mit aller Macht nach vorn getragen wird, ohne die Überlebenschancen der Merkmalträger zwangsläufig zu verbessern. Fisher nannte den mitunter kuriosen Vorgang Runaway Process. Auf dieser Strecke werden Selektionsnachteile (wie etwa ein beschwerlicher Federschmuck) so lange weitergegeben, bis vitale Beeinträchtigungen das Experiment stoppen.  

Manche Milieus fördern Maximalreize. Die Präferenz einer Gefiederten für lange Schwanzfedern bewirkt die sogenannte positive Rückkopplung, die sich bald paradox auswirkt.

„Der Koppelungsprozess führt in kurzer Zeit zu extremer Merkmalsausprägung.“

Überzogene Federschwanzlängen wirken sich bei Pfauen so kostspielig aus, „dass sie einen deutlichen Überlebensnachteil darstellen (Energieverbrauch, Beeinträchtigung der Mobilität, usw.).“ Quelle

Expert:innen sprechen von Selbstverstärkung. „Die Farbpräferenz des Weibchens sorgt für die Selektion der männlichen Gene, die darüber hinaus keine weiteren Vorteile bieten müssen“, erklärt Axel Buether. Siehe „Die geheimnisvolle Macht der Farben. Wie sie unser Verhalten und Empfinden beeinflussen“.

Trifft man, so Cole, einen schwarzmähnigen Löwen auf dem Hochpunkt der Merkmalsausbildung, kann man aus der Mähne einen Skalp machen. Ansonsten überlebt man die Begegnung nicht.