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2023-12-06 18:53:22, Jamal

„Seine Person, seine bloße Nähe scheint mir bildend zu sein, selbst wenn er kein Wort sagte.“ Eckermann über Goethe

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„Es kam dann zur Sprache, dass ich noch Englisch lernen müsse, wozu Goethe dringend riet, besonders des Lord Byron wegen, dessen Persönlichkeit von solcher Eminenz, wie sie nicht dagewesen und wohl schwerlich wiederkommen werde.“ Johann Peter Eckermann

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„Aber jemandem, der unter Napoleon gedient und mit ihm die Welt erschüttert hat, erscheint nichts unmöglich.“ Goethe 1824 im Gespräch mit Eckermann über Eugène de Beauharnais

Die Urelemente menschlicher Anschauung

Stefan Zweig erkennt in der Renaissance „ein beglückendes und daseinssteigerndes Kollektiverlebnis“. Innerhalb weniger Jahrzehnte seien die „Urelemente menschlicher Anschauung“ in ihren Dimensionen Raum und Zeit neu bemessen und bewerten worden.

„Die ganze Renaissance hegte dieses Bild eines ruhigen, heiteren und doch ernsthaften Gesprächs zwischen guten und weisen Freunden in einem kühlen Haus unter einem Baum. Gelassenheit und Harmonie. Das ganze Jahrhundert war ein Jahrhundert der Einfachheit, Ehrlichkeit, Wahrheit und Natürlichkeit.“ Johan Huizinga

Nun entgehen Spanier und die ihnen zunächst überlegenen Portugiesen landläufigen arabischen Erpressungen und Preistreibereien auf dem Seeweg nach Indien. Um sich nicht weiter in die Quere zu kommen, bestimmen sie 1494 Papst Alexander VI. aka Rodrigo Borgia dazu, im Vertrag von Tordesillas die Welt von Pol zu Pol zwischen Spanien und Portugal aufzuteilen. 

Borgia gibt der Epoche das Gesicht, er ist der Renaissancefürst. In der Frage, wie funktioniert Macht, bietet sich Borgias Sohn Cesare dem Staatstheoretiker Machiavelli als Zentralgestirn der Inspiration an.

Zweig vergleicht die ersten neuzeitlichen Innovationsschocks „mit der ebenso plötzlich sich überbietenden Raum- und Zeitverkürzung durch Telefon, Radio, Auto und Flugzeug“ im XX. Jahrhundert. 

Sphären-Flow/Das Amerika des Wissens

„Alle Zonen menschlicher Ordnung werden von diesem ungeheuren Stoß erschüttert.“ Das schließt die katholische Kirche ein. Ihre Macht basiert auf erstarrten Formen. Plötzlich verlieren Dogmen ihr Fundament. Der Zeitgeist stellt den Gehorsam der Gläubigen in Frage. Er untergräbt die Autorität der geistlichen Gewalt.

Zweig erinnert daran, wie durchgreifend die Kirche in ihrer besten Verfassung wirkt. „Der Bannstrahl zerbrach das Schwert der Kaiser und erstickte den Atem der Ketzer. Völker, Stämme, R… und Klassen, so fremd und feindlich sie einander waren, verband dieser einhellige, demütige Gehorsam, dieser blind und selig dienende Glaube zu einer großartigen Gemeinschaft.“

Bis auf Weiteres ist die Seele der weißen Menschheit katholisch. Europa existiert unter einem Glaubensdach. „Jeder Wunsch nach Wahrheit und Wissenschaft“ erscheint verdächtig. Trotzdem bricht „ein Geschlecht geistiger Konquistadoren“ zu neuen Wissensufern auf.

Der selbstermächtigte Mensch

Zweig beschwört das Momentum der Gleichzeitigkeit von Aufbruch und Restauration. Epochale Gestalten des sechzehnten Jahrhunderts erleben sich als „Mittelpunkt des Geschehens, als Kraftträger der Welt“. In einem schier „unvergänglichen Machtrausch“ reißen die Gestalter:innen mittelalterliche Demutsbarrieren nieder. An die Stelle religiöser Inbrunst tritt ein stürmisches Erkennen der Wirklichkeit mit naturwissenschaftlichen Mitteln.

Die Übertragungswege der Pest kennt man noch nicht. „Die schreckliche Seuche schien wie Dunstschwaden durch die Luft zu ziehen“, so Sandra Langereis in ihrer Erasmus-Biografie. Dazu morgen mehr.    

Quellengenauigkeit

Zweig beschreibt den Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert als Zeitenwende. Anno 1500 bringt sich Erasmus mit einer quellengenauen Sammlung antiker lateinischer und griechischer Sprichwörter ins Spiel. Die „Adagia“ wird zum Bestseller. Ihr Autor übt Kritik an der weltlichen Ausrichtung des Klerus. Die Einheit der Kirche will er aber auf keinen Fall in Frage gestellt wissen.  

Aus der Ankündigung

Erasmus von Rotterdam, »der erste bewußte Europäer, der erste streitbare Friedensfreund, der beredteste Anwalt des humanistischen, des welt- und geistesfreundlichen Ideals«, wurde durch seine Kritik an Theologie und Kirche zum Wegbereiter der Reformation. Doch als Kurfürst Friedrich ihn im Glaubensstreit zwischen Luther und dem Papst um sein Votum bat, scheute der wohl berühmteste und gelehrteste Mensch seiner Zeit die Verantwortung einer Entscheidung. Zweig fasst Triumph und Tragik seines Lebens mit der Sympathie eines Wesensverwandten zusammen: »der freie, der unabhängige Geist, der sich keinem Dogma bindet und für keine Partei entscheiden will, hat nirgends eine Heimstatt auf Erden«.

Zum Autor

Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren und lebte ab 1919 in Salzburg, bevor er 1938 nach England, später in die USA und schließlich 1941 nach Brasilien emigrierte. Mit seinen Erzählungen und historischen Darstellungen erreichte er weltweit in Millionenpublikum. Zuletzt vollendete er seine Autobiographie ›Die Welt von Gestern‹ und die ›Schachnovelle‹. Am 23. Februar 1942 schied er zusammen mit seiner Frau »aus freiem Willen und mit klaren Sinnen« aus dem Leben.