Kraterkragen
„Auch im härtesten Stein ist Leben.“ Edvard Munch
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Cornelius Kammschneider erwartet einen Ausbruch des Cotopaxi. Der Krater trägt einen weißen Kragen. Feuer und Schnee treffen auf unwahrscheinliche Weise zusammen. Den Eindruck verstärkt Psilocybin, der Kasseler Dichter und Botaniker hat sich Magic Mushrooms besorgt, gerade fühlt er sich wie auf einer Zeitreise zum Anfang der Schöpfung.
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„Ich spürte, wie unsere Liebe wie ein Häuflein Asche auf dem Boden lag.“ Edvard Munch
In den 1990er Jahren © Jamal Tuschick
Klassiker der nordhessischen Romantik
Fünfunddreißig Jahre nach Alexander von Humboldt erreichte Cornelius Kammschneider im August 1837 den Fuß des Chimborazo. Der Kasseler Reiseschriftsteller, Hobbyornithologe und Gelegenheitsbotaniker stieg ein ordentliches Stück den Berg hinauf, wegen der Aussicht. Kein Ehrgeiz trieb ihn. Er war gern allein guter Dinge.
In seinen Aufzeichnungen berichtet Kammschneider von „seit Menschengedenken untätigen Feuerspeiern“ in der Nachbarschaft des Chimborazo. Er schlug sein Lager in schroffer Höhe auf. Tief unter ihm weideten Lamas. Phosphoreszierende Käfer und lunare Lichtphänomene sorgten für Stimmungen wie im Drogenrausch. Im Mondschein schrieb Kammschneider das Gedicht Chimborazo. Es wurde zu einem Klassiker der nordhessischen Romantik. Als er am nächsten Morgen talwärts ausschritt, bemerkte er ein seltsames Treiben. Kümmerliche Gestalten schleppten sich über eine Ebene mit dürftiger Vegetation. In ihrem Dunstkreis bewegten sich strotzende Outlaws. Kammschneider war auf der Hut, hatte er doch von Ausgestoßenen und anders Verworfenen gehört, die sich in Notgemeinschaften zusammenrotteten. Die Liederlichen erkannten selbst die Notwendigkeit, fern der braven Menschheit zu verkehren.
Kammschneiders Argwohn wuchs im Takt seiner Furcht. Welche Aufgabe kam den handfesten Typen am Saum der dubios-burlesken Prozession zu? Sollten sie die Übrigen auf eine Alm treiben?
Ratlosigkeit befiel den Gelehrten. Noch wurde Kammschneider von einem erheblichen Abstand zu dem Umzug gesichert. Er seufzte. Was, wenn da Anthropophagen anmarschierten?
Kammschneider beschloss, sich vor den Menschenfressern zu verbergen. Er wählte eine sakral-skulpturale Reihe von Dauben als Deckung. Die Dauben überstanden Dolmen, die in ein natürliches Amphitheater gesetzt worden waren.
Die Fürchterlichen erreichten die neolithischen Artefakte. Ob sie je einen waschechten Europäer gesehen hatten? Mit wachsender Expression bewegten sie sich im Kreis, zu den Aufforderungen einer Trommel. Bald geschah Unerhörtes unter einem erschrockenen Himmel.