„Denn Verstehen und immer besser Verstehen war die eigentliche Lust dieses merkwürdigen Genius.“ Stefan Zweig über Erasmus von Rotterdam
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Sehen Sie auch hier. Und hier. Und hier. Und hier. Und hier. Und hier. Und hier. Und hier. Und hier. Und hier. Und hier. Und hier. Und hier.
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„Es gibt nur einen Grund, der das Handeln aufhalten kann, und der scheint immer nur auf einer Seite sein zu können.“ Clausewitz
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„Die Gewalt rüstet sich mit den Erfindungen der Künste und Wissenschaften aus, um der Gewalt zu begegnen. Unmerkliche, kaum nennenswerte Beschränkungen, die sie sich selbst setzt unter dem Namen völkerrechtlicher Sitte, begleiten sie, ohne ihre Kraft wesentlich zu schwächen.“ Clausewitz
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„Denn in so gefährlichen Dingen, wie der Krieg eins ist, sind die Irrtümer, welche aus Gutmütigkeit entstehen, gerade die schlimmsten.“ Clausewitz
In den 1990er Jahren © Jamal Tuschick
Dramatisch urzeitlich
Als Friedrich II. von Hessen-Kassel aus der Braunschweiger Kur, die ihm seine Räte im Siebenjährigen Krieg verordnet hatten, in die angestammte Residenz zurückkehrte, hatte der Ex-Exilant nicht nur Pläne für eine Technische Hochschule nach dem Vorbild des Braunschweiger Collegium Carolinum im Gepäck, sondern auch einen indischen Elefanten im Gefolge. Der Elefant war die Sensation in Friedrichs Menagerie. Er starb dann an Altersschwäche oder Heimweh, und der Landgraf ließ ihn ausstopfen. Das Präparat übertraf in seinem Schauwert alles je zuvor Dagewesene. Der tote Elefant wirkte dramatisch urzeitlich. Urzeitlich kam in den 1770er Jahre gut. Jeder Fürst hatte sein archäologisches Institut und eine Ausgrabungsstätte vor der Palasttür.
Der Elefant fuselte im Schloss Wilhelmshöhe, das zu des zweiten Friedrichs Zeiten noch Weißenstein hieß. Neben ihm standen zwei Leoparden und ein Kamel. Das Kamel hatte die Reise von Afrika nach Kassel erst gar nicht überlebt. Fledermäuse komplettierten das Ensemble in Gesellschaft ausgestopfter Vögel vom Strauß bis zum Kolibri.
Der landgräfliche Kurier und Agent Friedrich von Zierenberg hatte 1583 aus der Karibik Seesterne, Korallen, Schildkröten, Klapperschlangen und Wallrosszähne mitgebracht. Auch seltene Hölzer auf Geheiß. Landgraf Wilhelm IV., von 1567 bis 1592 erster hessischer Landgraf und Begründer unserer Linie, ein ernstzunehmender Astronom unter anderem, war ein Liebhaber von Holzbüchern gewesen. Ihre Rücken bestanden aus Rinde, die Titel bargen Samen, Frucht und Blätter eines Baumes. Nachkommende Herrscher vernachlässigten die Bibliothek, sie investierten lieber in das Amphibienzimmer im Schloss oder vergrößerten die Schmetterlingssammlung. Es gab auch eine zwei Zentner schwere Noahschulpe (Riesenmuschel) und ein Altes Testament, das angeblich älter war als alles, was Rom an Testamenten zu bieten hatte. In Ehren gehalten wurde ferner das Creditiv eines persischen Gesandten, der 1600 bei Landgraf Moritz vorstellig geworden war.
Wilhelm IX. besaß sechzigtausend Bücher. „Das historische Fach war am reichsten besetzt“, heißt es im geräumigen 19. Jahrhundert bei Cornelius Kammschneider. Der Kasseler Schriftsteller, Gelegenheitspoet, Hobbyornithologe, dilettierende Botaniker etc. und Amerikaexperte verkörpert (in der Gegenwart des Romangeschehens) die nordhessische Romantik wie kein zweiter. Jahrelang sichtete er die landgräflichen Archive im kurfürstlichen Auftrag. Wilhelm II. (1777 - 1847) hatte den Pseudo-Enzyklopädisten als Chronisten engagiert. An fast allen epochalen Unternehmungen der Neuzeit waren Hessen beteiligt. Ihnen sollte Kammschneider das Andenken sichern. Jener registrierte „zweihundert wertvolle Bibeln“, einen Koran so wie „die arabische Geschichte eines Muhamed“.
Auf den Geschmack gekommen bat Kammschneider den Landesherren um Mittel für eine Lateinamerikaerkundung. Wir springen gleich in eine Szene.
Kammschneider und sein Bursche Alfonso geraten in ein verschneites Gebiet, wo es keine Durchgänge gibt, so sie nicht von Wasserkraft in den Felsen gesprengt wurden. In einer Seilschaft übersteigen sie Eisfelder. Die Bergsteiger gelangen zum Papallacta-Pass, wo sie in einer Köhlerklause willkommen sind.
Kammschneider notiert „ein armes Obdach“, deprimiert von einer „I…familie“. Der Autor ist „erkältet“. Die Gastgeberin schildert er als „herkulisches, vom Ruß schwarzes Weib mit fliehendem Kinn“.
Kammschneider fällt lyrisch über die Bleibe her:
„Elende Baracke du/ohne Türen und Kamin/allen Winden offen.“
Kein Tisch, kein Stuhl, kein Bett. Hunde halten Wache gegen Wölfe, die nachts in den Pass schleichen.
Alles rückt und macht Platz. Die Gastfreundschaft grenzt an Raserei. Kammschneider fragt:
„Leute, warum baut ihr keine ordentliche Hütte?“
Das nenne ich Takt.
„Ja, freilich“, entgegnete das Oberhaupt, „ein greisenkindliches Männchen“ (Kammschneider), „hinge es nur von uns ab, hätten wir uns längst einen schmucken Bungalow neben die private Therme gesetzt. Doch gehört uns die Luft nicht zum Atmen und kein Fuder Holz, den man hier zusammenschlagen könnte.“
Leibeigenschaft herrscht auf dem Berg.
Jeder Vogel baut sich sein Nest wie er will, aber der Mensch hat es geschafft, die Natur zu hintergehen.
„Wo wohnt denn euer Herr?“
„Ach, der wohnt weit weg und sieht uns nie. Doch hat er einen Jäger, der auf uns mit der Knute achtet.“
Nach den Begriffen der Zeit lebt die Köhlersippe „unter Weißen“. Zwar abgeschieden von -, aber noch viel abgeschiedener von „wilden I…“. Kammschneider: „Diese zivilisierten I… sind eine tief gesunkene, verachtete R.... Auch, wo es gegen das Gesetz ist, ist der I… Sklave, eine Ware, die man kauft, verschachert, vererbt oder einem zahlungsunfähigen Schuldner abnimmt.“
Der I… kann sich auch selbst verkaufen, um von seinen Schulden herunterzukommen.
Die Leute am Pass sind fromm, ihr Gott ist verreist. Sobald er wieder da ist, wird gewiss alles gut.
Die herkulische Köhlerin flirtet mit dem schmucken Hessen. Kammschneider reicht bald ein Almosen, dann geht es weiter „auf einem endlos sich windenden Hohlweg“. Kammschneider besichtigt „Heilquellen“.
Als Nächstes lobt er regelmäßige Gesichtszüge und erkennt, dass Indigene in dem Grad nicht entwurzelt sind, in dem sie Abstand halten zur Zivilisation. Es gibt I…, weiß Kammschneider, deren natürliches Misstrauen gegenüber Weißen von der christlichen Religion nicht aufgehoben werden kann. Sie bleiben bei ihrem alten Glauben und gehorchen Priestern nur zum Schein. Morgen mehr.