“The experience of our reality ... is completely different for a liberated and awakened person than for someone who experiences it from the point of view of his conditioning.” Christopher Wallis
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„Die zunehmende Beschleunigung der Wahrnehmung führt zum Realitätsverlust.“ Heiner Müller
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„Da träumte ihm erst von unabsehlichen Fernen und wilden, unbekannten Gegenden. Er wanderte über Meere mit unbegreiflicher Leichtigkeit.“ Novalis
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„Nur aus unserem Leib wissen wir, was wirkende und ertragende Kraft ist. Und dies wissen wir nur aus unserer inneren Empirie.“ Salomon Stricker
Ahrenshoop 2020 © Jamal Tuschick
Lateinischer Despotismus
Die ungenaue Küstenlinie Australiens wurde noch auf Karten des 17. Jahrhunderts neuholländisch genannt. Die Niederlande rivalisierten mit den Supermächten Spanien und Portugal und waren doch selbst spanischer Herrschaft unterworfen. Niederländer rückten in den Kolonien nach und auf. Sie profitierten vom lateinischen Despotismus, der ganze Völker in die Halsstarrigkeit trieb und sie zugleich empfänglich machte für angenehmere Umgangsformen. Die Portugiesen prügelten mit ihrer Religion auf alles ein und sorgten so dafür, dass im Gedächtnis der Erpressten Katholizismus und Habgier zur Einheit verklumpten.
Überseeische Zugewinne erhöhten den Freiheitsdrang der dem Habsburger Weltreich eingegliederten Niederländer. Philipp von Spanien fand Anlass zur Beschwerde über die munteren Provinzen Niederlande, Belgien und Luxemburg. Cornelis de Houtman, ein Mann aus Gouda, der vor Ablauf des 16. Jahrhunderts sein Leben auf Sumatra ließ, entfachte das Geschäft mit Pfeffer, indem er es den Portugiesen mit mehr List als Gewalt entriss. Bantam (heute Banten) auf Java erschien ihm als Stützpunkt ideal. Im Gefecht verlor er zwei Schiffe und fast alle Matrosen, eine Bucht heißt seitdem Friedhof der Holländer.
Trotzdem übertraf Houtmans koloniale Ernte hochgesteckte Erwartungen. Von da an bewachten die Niederländer ihren eigenen Platz an der Sonne. In Indonesien übernahmen sie das traditionelle Verwaltungsgefüge. Allerdings setzten sie dem Staatsoberhaupt einen Beamten aus Utrecht oder Texel vor die Nase. Dem Büttel sollte ein Sultan gehorchen. Daran musste sich der Potentat erst gewöhnen. Houtman jedenfalls wurde noch wegen Unhöflichkeit die Kehle durchgeschnitten. Für den nachfolgenden Pieter Both waren die Mächtigen auf Java noch lange keine Vasallen. Der Admiral einer Flotte der Brabant’schen Compagnie wurde erster Generalgouverneur von Niederländisch-Ostindien. Das war eine Geschäftsidee der Dutch East India Company. Das erste Fort des Handelshauses entstand an der Mündung des Ciliwung (nach einer älteren Schreibweise Tschiliwing) zwischen einer portugiesischen Festung und der Hafenstadt Jayakarta. Es hieß Nassau. In einem langen Kampf behaupteten sich die Niederlande gegen Spanien, Portugal und England. Selbst als der Kaiser von Java aufstand, um mit englischer Unterstützung den Niederländern den Todesstoß zu versetzen, widerstand die Mannschaft der schon über die Wälle gewachsenen, eine Stadt in ihrer künftigen Gestalt andeutende, alles Ältere einnehmende Siedlung. Die Niederländer waren entschlossen, notfalls an Ort und Stelle zu verderben. Mit ihrer Art brachten sie den König von Jayakarta so aus der Fassung, dass er abdankte und zum Eremiten wurde.
Fort Nassau war die Keimzelle von Batavia (Jakarta), dem Zentrum von Niederländisch-Ostindien. Brackwasser führende Kanäle durchzogen die Kapitale. Die von der Dutch East India Company zur Verstärkung des zivilisatorischen Vorpostens angeworbenen Handwerker starben wie die Fliegen am Fieber. Die Stadt war zwar ungesund, lag aber günstig. Die Verhältnisse verbesserten sich wenig, es hagelte Kritik in zig Reisetagebüchern. Morgen mehr.