Frankfurt 2000 © Jamal Tuschick
Häusliche Erotik
Dennis sah aus wie Wolfgang Petry, manche nannten ihn Vokuhila. Er hatte an der Humboldt Universität auf Diplom-Kriminalist studiert und war Chef einer Ostberliner Mordkommission, bis zu seiner Suspendierung im Januar Neunzig. Dennis musste seine rumänische M 74 abgeben, weil sein Vater, ein Spitzenfunktionär, ihm unter die Arme gegriffen hatte. Ein Volkskammerausschuss zerlegte Dennis wegen Amtsmissbrauchs. Es ging um die Finanzierung eines Fertighauses vom Typ Stralsund für 90.000 Ostmark, eines Mazda 322 GLX 1.5 (Neupreis 25.000 Ostmark) und eines Peugeot 305 (Neupreis 44.000 Ostmark). Dennis hatte in Wandlitz gratis getankt, den Funktionärsservice (des VEB Spezialbau nicht zuletzt) genutzt und am korrupten Ohr von Bauminister Junker gekaut. Er war mit seiner Familie auf Staatskosten in die Ferien geflogen.
Deshalb hatte Vokuhila den Anschluss an die neue Zeit verpasst, während seine Kollegen Hauptstadtpolizisten geblieben waren. Er betonte, gegen keine Strafrechtsnorm verstoßen zu haben. Er erfand einen alten Satz neu. Was früher Recht war, kann heute nicht Unrecht sein.
Im Sauerland gab es zwei Kinder und eine an Dennis nicht mehr interessierte Angela. Der Ex-Major zeigte Familienfotos. Höhepunkte der Kollektion waren - nach der Rammstein-Ästhetik inszenierte - Modellaufnahmen der Ex-Ehefrau. Sie stammten von einem Friseur, der sich auf häusliche Erotik spezialisiert hatte.
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Westdeutsche Sehnsüchte fanden in der aufgelassenen DDR neue Ziele. Auch ich ging auf Ostsafari. Es gab noch Lothar de Maizière als Kohls Statthalter. Das westliche Interesse wurde schon als Heimsuchung empfunden. Die Bundesbürger versauten mit ihrer Währung die Ostpreise.
Da war er plötzlich, der Malle erfahrene Opel-Manta-Piloten mit seinen zwo Mille nach allen Abzügen. Daran gewöhnt, Rede und Antwort zu stehen, wo es um die Frage ging: Und was hast du so auf der Naht? Stand kein Aschenbecher parat, wurde die Kippe auf dem Tanzboden flach getreten. Dagegen erhobene Einwände waren unzulässige Bevormundung von viel zu lang Bevormundeten.
Man musste über achtzig sein, um sich als DDR-Bürger an eine freie und geheime Parlamentswahl erinnern zu können: vor der CDU-Party am 18. März. Seit der Reichstagswahl vom 6. November 1932 kannte der zum Behufe seiner Beitrittswilligkeit hart gefreite Ossi nur abgefragte Zustimmung.
Man durfte nicht einfach die Kerzen auf dem Tisch anzünden. Die Anzünderin erschien zur festgesetzten Zeit und wehe, man griff ihr vor. Besondere Beilagenwünsche wurden als unangebrachte Extrawürste abgewürgt.
„Bei uns bestellt man die Gerichte so, wie sie auf der Karte stehen.“