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2024-01-31 10:19:54, Jamal

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In den 1990er Jahren © Jamal Tuschick

Der Süße aus der ersten Pressung

Der Süße aus der ersten Pressung bekommt ihm nicht, so express nach dem Milchkaffee im Hänschenklein. Das Fenster zum Hof schließt nicht, der Haken rotiert vor dem Nagelkopf. Wayne hört den Gesang des Keilriemens und die Litanei im Trichter der Apfelmühle. In zu großen Gummistiefeln mühsame Schritte matschen ein Galeerengeräusch. Der König spricht vom Notstand „in der Latrine“. Die Ansprache trieft vor Verachtung für das kleine Licht im Klo der armen Leute. Königlicher Dünnschiss bekäme jederzeit eine Audienz in den gediegenen Verhältnissen des ersten Stocks. Da sagt kein Namensschild den Bewohner an. Dass weiß man, wer da wohnt, es sei denn, man weiß gar nichts.

Die Verachtung kommt aus der Verachtung. Sie regelt den Verkehr im Haus. Das Haus war eine Burg im Mittelalter und heißt so noch frei von Zusätzen. Der erste Burgherr war ein Freiherr von Stichburg. Sein Name überlebte architektonische und eigentümliche Neuordnungen. Mochten die nachrückenden Leute schließlich wie jedermann Schuster oder Ritter heißen, sie wohnten doch immer noch in der Stichburg an einer markanten Stelle der nordwärts ausgreifenden Stadt Frankfurt am Main. Schon im frühen 19. Jahrhundert erinnerte nichts mehr an die ursprüngliche Wehrhaftigkeit der Anlage. Alles Vorzügliche oder auch nur Bemerkenswerte wurde ihr immer weiter weggenommen, bis zu dem Tag, an dem auch das Stich im Namen wegfiel. Übrig blieb ein allseits bekannter Kasten mit schrumpeligen Anbauten, geradezu explizit nebensächlich, für manches im Jetzt dieser Geschichte abgestorbene Handwerk. Übrig blieb eine Gaststätte und hinzukam ein spiritueller Hotspot, das von Iris ‚Maitreyi‘ Wondraschek vor der Jahrtausendwende im träumenden Tanzsaal der Burg gegründete Abhati-Center.

Wayne schaufelt Äpfel in die Bütte. Die Mühle zerlegt sie seufzend. In dem Geruch der Maische ploppt schon die Hefe. Schon lange kommen keine Leute mehr, um den Süßen direkt aus der Kelter zu holen. Selbst für Folklore taugen die Prozesse der Apfelweingewinnung nicht mehr. Die Hände schwitzen in den Haushaltshandschuhen, dem Kollegen Mandelstam kommt der Schwung abhanden. Mandelstam ist nicht nur Geburtsfrankfurter, sondern auch auf der richtigen Mainseite geboren. Er fühlt sich dem König verwandt. Diese Illusion deutet Wayne als Herkunftsprodukt aus heimischer Phantasie.

Mandelstam keltert zum ersten Mal, obwohl er schon zehn Jahre im Dienst der Burg steht. Er weiß nicht, was das zu bedeuten hat, aber Wayne weiß das.