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2024-01-31 11:15:50, Jamal

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© Jamal Tuschick

Blood in blood out

Die Verachtung schoss mit der Muttermilch auf das weiche Ziel des Säuglings. Sie wohnte mit den Leuten zusammen wie Schwamm im Gebälk. Sie saß fest im Sattel der Verhältnisse, die ganz natürlich nach Gärung rochen und nach Fremden, die sich willkommener fühlen sollten als der Sohn. Auch der Vater des Königs hieß Michael. Man nannte ihn Diamant-Michel, da seine Dynastie in den schwächeren Phasen nach großen Kriegen ihren Teil aus den Schwarzmärkten zog. Man verhökerte Teppiche und Schmuck, das Edelsteinchen für eine Stiege Kohlen und nein sagen, konnte auch keiner. Diamant-Michel galt für abgefeimt, er musste noch nicht mal so tun als ob nicht. Sein Consigliere war der Otto Wundersamen, die stille Hand des Nordends. Ich habe den wundersamen Otto noch persönlich mit Recht auf Begrüßung gekannt. Er hatte sich seinen Stil bei den Amerikanern abgeguckt und fuhr auch solche Autos. Wenn es darauf ankam, dann zählte er noch nicht mal bis drei. Er hasste Verschwendung so sehr, dass er einen Mann aus der Kaste der Unberührbaren beschäftigte, der nachts die Mülltonnen abklapperte. Ottos Sohn wurde von Diamant-Michel gezeugt, es hätte deswegen beinah Tote gegeben. Respect your barrio. Es gab noch einen anderen Otto, den Polizisten-Otto aus dem Revier an der Eisernen Hand. Er kannte Hinz und Kunzelmann und die meisten Häuser im Viertel von den illegalen Brennbuden im Keller bis zu den Dachböden der Bordsteinschwalben. Nach dem Krieg war das Nordend Trümmerland, der Aufbau ging dann Hand in Hand. Wer nicht spurte, wurde renoviert, die Nutten hießen alle Hildegard. Ja, die menschliche Spezies ist praktisch veranlagt und groß nur in ihrem Opportunismus und bei der Schlechtbabbelei. Die Gangster um Otto Wundersamen und Diamant-Michel respektierten Otto, weil er sich nicht schmieren ließ. Sie steckten ihm die Konkurrenz, diese ‚Volksschädlinge‘, gezeugt in undichten Mansarden. Sie redeten immer noch wie das Dritte Reich, dachten aber wie die Southside und handelten wie die Spanier. Die Spanier waren gar keine Spanier, sondern mexikanische Amerikaner, die der Krieg zu Weltmännern gemacht hatte. Sie kamen aus nomadischen Erntehelferstämmen, die in den 1930iger Jahren „im Valley“ sesshaft geworden und ganz allmählich in Los Angeles eingesickert waren.

In der Presse rassistischer Verhältnisse organisierten sie sich in Nachbarschaftsverbänden, die nach den stärksten Familien benannt wurden. Soweit sie Englisch konnten, sagten sie „blood in, blood out“. Wie alle Southerner lebten sie mit einem unbändigen Stolz, der in den kalifornischen Barrios ständig Tote produzierte. Mit diesem Konzept tauchten sie als US-Army-Besatzer im Frankfurter Nordend auf und stießen da auf den Diamanten-Michel und seine rechte Hand.