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2024-02-01 10:59:07, Jamal

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Am 10.02. 2021 © Jamal Tuschick

Überseeische Sieger

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in Frankfurt am Main - wie in anderen deutschen Städten auch - zu Kooperationen zwischen eingesessenen und amerikanischen Gangstern, die als GIs ins Land gekommen waren. Über Nacht entmachteten die überseeischen Sieger die alten Gebietsfürsten. Das Frankfurter Nordend übernahmen mexikanische Kalifornier. Ganz wie daheim in LA, klärten sie erst einmal untereinander, welche Familie das Sagen hatte und dann besprachen sie mit den kriminellen Führungspersönlichkeiten unter den Kriegsverlierern das Weitere. Im konkreten Fall hießen die wichtigsten Kooperationspartner Michael Weber und Otto Wundersamen. Offiziell firmierte Weber als Wirt der Burggaststätte. Tatsächlich war er der Doyen der Frankfurter Unterwelt. Ohne ihn lief kein krummes Geschäft auf der nördlichen Mainseite. Die Eingeweihten nannten ihn König. Bekannt war Weber auch als Diamant-Michel. Wundersamen diente ihm hingebungsvoll. Ich fand die Konstellation gut geschildert in Departed; in dem Verhältnis zwischen Frank Costello (Jack Nicholson) und seinem treusten Gefolgsmann Arnold French (Ray Winstone).

Die alt-geriebenen Frankfurter Buben erkannten die Gunst der Stunde, das heißt ein gewaltiges Drohpotential. Fortan ging kein Taschendieb mehr über die Straße, ohne seine Steuer an Weber & Co. zu entrichten, und keine Hildegard wäre in ihrer Lenaustraße auf die Idee gekommen, die „spanischen“ Beteuerungen nicht für bare Münze zu nehmen und auch noch was draufzulegen für ein Jackett aus Haifischflossen. Getagt wurde nachts in der Burg, ich habe da viel gelernt. Mehr als andere in der Schule auf jeden Fall. Ich habe gesehen, wie die großen alten Männer des Nordends einem mickrigen Spanier die Hand küssten. Das kann man sich heute alles nicht mehr vorstellen, blood in, blood out, was das bedeutet, mit Leuten Geschäfte zu machen, die unruhig werden, sobald es mal keine Toten gibt. Für die Waffenruhe und Weltuntergang auf einer Linie der Betrachtung liegen. Gleichzeitig ging der übrige Betrieb so verschlafen über die Bühne, dass Polypen-Otto seine Verhaftungen grundsätzlich ohne Waffe ausführte. Wenn zum Beispiel ein Eierdieb aus der Koselstraße dem Haftrichter vorgeführt werden sollte, sagte ein Laufbursche einer alten Frau im Haus Bescheid und die schleppte dann ihre mürben Kriegerwitwenknochen in den dritten Stock, um dem Eierdieb zu verkünden, dass gleich der Polypen-Otto erscheinen würde. Der Eierdieb wusste, was von ihm erwartet wurde, nämlich, sich die Zähne zu putzen, die Bürste einzustecken und im Treppenhaus auf Otto zu warten - und bei seinem Erscheinen umgehend die Handgelenke der eisernen Acht anzuvertrauen. Ohne Faxen zu machen.