© Jamal Tuschick
Saharasand
Karolin fällt ein Ball vor die Füße, sie spielt Wayne ungeschickt an. Kinder holen sich den Ball zurück, mit Blicken, die deutlich zeigen, wie sehr sie an der Welt zweifeln, angesichts solcher Erwachsener. Karolin sagt etwas zu ihrer Entschuldigung, das sollte sie lassen.
Sie wohnt in einer Villa, in der expatriierte Mecklenburger auf uns Hessen herabsehen. Der verstoßene Prachtbau liegt an der Nidda, man muss nur über eine Brücke gehen, um in Rödelheim zu sein. Es gibt da eine Lottoannahmestelle, neben einer Backwarenverkaufsstelle. Der Lotto-Chef handelt auch mit Gebrauchtwagen. Das hat Wayne in Erfahrung gebracht. So sortiert er die Erscheinungen in dieser Welt.
Gibts nicht, geht nicht, kommt überhaupt nicht infrage. Das stand auf dem Beipackzettel von Karolins Kindheit. Das hieß, keine Reitstunden, keinen Ballettunterricht, keinen Sprachkurs in den Ferien. Das hieß, keine Reisen, noch nicht mal Ausflüge. Das hieß, keine Brille, die Karolin gefiel, und Verachtung von allen Seiten. Mitleid war noch schlimmer.
Bösartige höhere Töchter tauften Karolin Assel.
„Gibts hier irgendwo Kekse?“, fragt Wayne in Karolins Küche. Die Kekse sind von Aldi und beliebt wegen der schönen Dosen, in denen sie verkauft werden. Kastanienzweige greifen durch das Küchenfenster, Karolin holt die Kekse. Das Paar spielt erst Mau-Mau, dann Mensch-ärgere-dich-nicht. Wayne reagiert allergisch auf Abwechslung, Karolins Vorschlag, im Schutz der Dunkelheit ein Klangbad mit Trallala und Sauna aufzusuchen, schmettert er kategorisch ab.
In Gedanken geht Wayne die Mädchen und Frauen durch, mit denen er zusammen war. In fast jedem Fall wurde er nach kurzer Zeit verlassen. Oft fand er am Anfang noch etwas von seinem Vorgänger, einmal eine Unterhose in einer Ritze, in die Geld gerutscht war. Manchmal war der Vorgänger noch gar nicht weg und versuchte sein Glück als Rivale. Trennungsträge Typen blieben wochenlang in Rufweite, nicht immer hofften sie vergeblich. Standby-Schaltungen waren nicht selten. Entspannte Trennungen fanden nicht statt. Zuneigung führte zu Abneigung.
An einem anderen Tag
Die Möbel seiner Oma dürfen nicht verrückt werden. Karolin entdeckt Sand in einer Lade, der Sand könnte aus der Sahara sein. Mittags wieder Grüne Soße, weil jetzt die Zeit dafür ist. Als ob es Grüne Soße nicht das ganze Jahr gäbe.
Aufschübe müssen herbei telefoniert werden. Die Sachbearbeiter stets sachlich. Altes Liedgut treibt an. Ich habe dir nie/How many roads/Always be a good boy/Wenn die Sonne bei Capri. Sex statt eines Schläferstündchens, zur Verkürzung der Zeit bis zu den Auswechseljahren und ab in die Grube. Jugendlicher Eifer als Scheinblüte und Mimikry.