In den 1990er Jahren © Jamal Tuschick
Akkurater Einzelgänger/Luschiges Paar
Karolin macht jetzt auch Pilates, das ist der neue Programmpunkt in Iris Wondrascheks Abhati-Center. In einem Zustand vorgetäuschter Anschlusslosigkeit sitzt Wayne im Plüschplunder von Hans Hegemanns Programmkino und wundert sich nicht. Nicht über den akkuraten Einzelgänger, dessen Anschrift Wayne bei der Mutter vermutet. Nicht über die beiden Frauen mit den zusammengesteckten Köpfen, für die in der Welt zu sein, ständige Überwindung und Besprechung der Überwindung bedeutet. Nicht über den Schlaffi, den er garantiert kennen würde, wäre er kein Fremder. Nicht über einen Solitär im sportlichen Leder. Ferner wundert sich Wayne nicht über ein luschiges Paar, das ergreifend gut in die Gegend passt. Doch dann tritt ein Hüne im rosa Hemd auf. Neben ihm schwebt ein Fotomodell ein. Wahrscheinlich gibt es kein größeres rosa Hemd auf Erden, es platzt trotzdem gleich.
Die Schönheit der Frau wirkt wie ein Angriff. Geblendet schließt Wayne die Augen.
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Wayne sonnt sich auf einer Bank zwischen Fahrbahnen des Alleenrings. Eine halbe Pizza gibt neben ihm die Verschmähte. Strolch stellt sich ein. Er trägt schwer an Tüten, man hört die Musik des Leerguts. Schwanensee klingelt anders.
Strolch, zu seinem Bart: „Bin hier geboren.“
Wayne: „Auf dem Kackstreifen geboren, so siehst du aus.“
Strolch setzt den ächzenden Leib ab und fängt an zu kramen.
„Zwei Jahre Preungesheim“, sagt er. „Da war einer, der hat sich die Knöpfe direkt an die Haut genäht.“
Zwei Männer fahren auf einem Motor-Dreirad vorbei. Strolch schenkt seine ganze Aufmerksamkeit der halben Pizza.
„Greif zu“, sagt Wayne. Nach seinen Beobachtungen zieht man entweder den Bauch oder den Kopf ein. Das geschieht automatisch. Wayne staunt, Strolch isst ganz manierlich. Er fragt nach einer Stadtstreicherin, die er schon länger nicht mehr gesehen hat. Strolch glaubt, dass sie lediglich das Revier gewechselt hat. Nomadisches Verhalten. Soziophobische Schübe und Strategien.
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Wenn Karolin genug hat von einem Abend, sagt sie: „Wir sind müde“, egal, ob Wayne müde ist. Sie merkt sich die Geschichten der Dinge nicht, die sich im Museum (sprich in Waynes Wohnung) versammeln. Einen ausrangierten zur Dekoration abgestiegenen Bembel hat sie wieder in Dienst gestellt. Jede Veränderung, die nicht auf seinem Mist gewachsen ist, findet Wayne verkehrt. Nie würde er den Kleiderbügel belasten, der aus der Zeit stammt, als seine Familie eine Gaststätte mit Pension betrieb. Lange existierte der Bügel gesondert von der Garderobe.
Karolin lackiert sich die Nägel auf dem Balkon, das Geländer hat einen neuen Anstrich. Die Nagellackfarbe kam noch nicht vor. Karolin möchte auf dem Balkon essen. Sie wünscht sich die Rückkehr ins Lauschige und Flauschige.