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2024-02-10 07:31:25, Jamal

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© Jamal Tuschick

Komparsen-Hartz IV

Wayne lebt auf dem Grund eines ozeanischen Beckens, auf einer vor hundertfünfzig Millionen Jahren gesunkenen Scholle. Das Nordend war die längste Zeit ein namenloses Flussbett, bis der Main und die einst amazonasbreite Nidda es freigaben.

An Khans Kiosk hängt ein Bembel in seinem grünen Kranz. Das ist ein Sakrileg. Der Kranz ist das Zeichen selbst kelternder Wirte.

Karolin ist an der Ostsee, sie schmeißt den Haushalt der soeben schon wieder niedergekommenen Halbschwester. Unkontrolliert klappert Wayne von einem Lokal zum nächsten, es gibt genug gastronomische Konzepte, die zum Scheitern verurteilt sind. Es hält sich wenig, kaum eine Idee kommt in Berührung mit Bestand. Die Wirte haben als Laufburschen auf dem Liebfrauenberg oder im Großen Hirschgraben angefangen, als Abräumer oder direkt als Pizzafahrer. Ihre Selbständigkeit ist ein Fehler.

Am Gernegroß-Tresen lässt Arno Freyschmidt sein Komparsen-Hartz IV zu „Drehterminen“ aufrauschen. Am liebsten bespricht er mit jüngeren Kolleginnen Zukunftsfragen. Ganz so, als hinge seine Zukunft nicht bei den vergessenen Sachen neben der Durchreiche an einem verbogenen Haken, sondern immer noch im Foyer des Staatstheaters von Witzenhausen, wo Arno vierzig Jahre den Durchbruch verpasst hat. In der Zwischenzeit flogen Menschen zum Mond, die DDR gab ihren Geist auf, der elektronische Tortenheber wurde erfunden und Peer Kusmagk erlebte seine Erhebung zum Dschungelkönig.

Im Schwarzburg 84 sticht Wayne direkt ins Hinterzimmer durch. Da steht der Fernseher, neben einem Turm aus leeren Kästen. Auf dem Tisch liegt ein angenagter Bienenstich auf seiner Tüte. In einem Aschenbecher aus der Ernte 23-Ära vergammelt ein Joint. Wayne inspiziert die Kronkorkensammlung in einem antiken Bierglas.

Grete kommt mit einem Kristallweizen. Ihr muss Wayne nicht erklären, was er trinkt. Grete weiß alles und so auch, wer ein Lied zuerst gesungen hat und in welcher Version es richtig klingt. Sie verstimmt, dass zurzeit alle Welt ihren Liebling Johnny Cash hört. Gern spricht sie über Junior Browns selbstgebaute Gitarre. Sie ergötzt sich am Klang des Wortes Pedal Steel. Ihr Großvater war Korbflechter, der Vater Polizist in einem Taunuskaff, das nach dem Zweiten Weltkrieg zum Randbezirk einer amerikanischen Garnison wurde. Auf Dorfstraßen lernte Grete die Weltsprache der Sieger. Sie ahmte Soldaten nach und übernahm so zufällig den Lebensstil von Bauernsöhnen aus Tennessee.