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Das Glück im Winkel

Nach der Lesung legt eine Kollegin aus der Herstellung Platten auf. Verlagsassistentinnen suchen ihre Partylaune. Manche sind noch Hochschülerinnen und widersetzen sich dem Büroschick mit Kleinigkeiten. Sie wippen in Erwartung eines größeren Engagements. Jemand soll vor ihnen in die Vollen gehen.
Niemand spielt die Vorturnerin. Rasch geben die Debütantinnen auf. Zu Recht wähnen sie sich unter Aufsicht. Äußerlich unterscheidet sich Waynes Nichte Antigone kaum von den Kolleginnen aus der Referenzgruppe. Doch hat sie ihre Muttersprache erst mit vierzehn gelernt, als Vollwaise in einem Friedberger Verwandtenhaushalt.

Die in Friedberg bei Frankfurt zur Welt gekommene Gerda W. war einst gemeinsam mit ihrer halbanonym gezeugten Tochter Antigone dem Franco-Polynesier Oro S. zur Île du Vent Maiao gefolgt und bald nach ihrer Ankunft auf dem Atoll bei einem Badeunfall ums Leben gekommen. Antigone wuchs unter Oros Leuten in Taora O Mere auf. Sie wurde in den Geheimorden der Arioi initiiert. Am Ende eines großen Durcheinanders fand sie sich in Friedberg wieder. Antigone erlitt den Kulturschock in der Obhut fideler Verwandter. Ich erwähne nur Waynes Cousine Monika. Mit an den Haaren herbeigezogenen und aus der Suppe gefischten Argumenten beschwört die Kühlanlagentechnikerin und vormalige Tischtennis-Kreismeisterin das Glück im hessischen Winkel. Sie sympathisiert mit sich selbst wegen ihrer Bodenständigkeit und Geschmacksoriginalität. Vorübergehend avancierte Antigone zur Herzdame in lauter Heimspielen. Sie bezauberte die Wetterau. Ihretwegen gingen Vorstadt-Daimyos steil.

Antigone studiert noch. Sie ist als Schwangerschaftsvertretung mit von der Partie. Für sie sind Nudeln manchmal schon das Beste, was ein Abend bieten kann. Manchmal langweilt sich in der Gesellschaft älterer Schwadroneure (beispielsweise Onkel Wayne) und merkt wohl, wie verschwenderisch sie ihr Leben ausgibt. Als hätte sie noch eins in Reserve, um noch einmal von vorn anfangen zu können, wenn sie endlich aus allem klug geworden sein würde.  

Blonder Schatten/ Vorgetäuschter Weltuntergang/ Lebende Fossilien

Jede Nacht wiederholt Stürme wie in einem Katastrophenfilm. Wayne sieht den vorgetäuschten Weltuntergängen am Strand zu und kehrt zum Trocknen bei Hassan ein. Der Türke schließt sein Wasserhäuschen selten vor fünf Uhr morgens. Er hält die Bude für eine Brasserie. Er hat eine kommunistische Vergangenheit und eine fantastische Vorstellung von Frankreich.

Bei Hassan tagt die blonde Mexikanerin. Seit er dem Kommunismus abgeschworen hat, steckt Hassan seinen Kopf in den Sand mystischer Ansichten, die Mexikanerin stärkt den Aberglauben. Sie unterhält das Publikum in einem Sprachmix, sie singt und begleitet sich auf der Gitarre. Mit Grace Jones-Timbre befindet sie über diesen und jenen, im Grunde aber doch alle in eine Klammer abschätziger Erwägungen ziehend: What a waste of sperm.