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2024-02-19 17:26:22, Jamal

Was zuvor geschah
Lord Gruffydd of the Marches ist ein Nachkomme pompöser Versager. Gruffydds Ahnen sind auf so hohem Niveau gescheitert, dass sie für die Kosten ihrer Niederlagen nicht selbst aufkommen mussten. Im ausgehenden 18. Jahrhundert macht der Geck einen Schriftsteller und Journalisten aus sich. Er reist nach Australien und stellt da jede Menge haltloser Behauptungen auf. In der Obhut eines genialen Pfadfinders erkundet er den Kontinent.

© Jamal Tuschick

Weißer Klugscheißer

Gruffydd begleitet den Jäger Yayan zu einem See (Cuddie Springs?) im Norden von New South Wales. Der Lebensstil seines Führers erscheint dem weißen Klugscheißer angenehm. Gruffydd schreibt: „Y. unterwirft fast alles seinem Vergnügen. Jede Mühsal überlässt er seiner Frau.“

Für Mädchen ist das Essen von Schlangen tabu, während Jungen keine Babies frisch aus dem Beutel der Beuteltiermutter essen sollten.

Am liebsten isst Yayan Larven. Er snackt Kakadus, Papageien, Schildkröten, Frösche und Eidechsen. Hin und wieder klettert er auf einen Baum, ermutigt von Zeichen, die Gruffydd entgehen. Yayan zieht dann ein Opossum aus einem hohlen Ast und wirft es so geschickt zu Boden, dass die Ratte schon vor der Landung tot ist. Da ihm der europäische Eigentumsbegriff nichts bedeutet, schlachtet Yayan nebenbei leger das Weidevieh der Kolonisten ab. Er führt Gruffydd zu einer Kultstätte. In der Nähe des Schreins entdeckt der Europäer Waffen und Werkzeuge, die ihm uralt erscheinen. Seine idiotischen Behauptungen prägen bis heute das Bild des australischen Steinzeitjägers.

 

Yayan jagt vorzugsweise mit einem primitiven Wurfstock, der bei der Beute liegenbleibt. Er bevorzugt die Waffe gegenüber dem (technisch anspruchsvolleren) Bumerang. Er verachtet christliche Konvertiten und schürt Unruhen auf Missionsstationen. Er stellt sich seinem Untergang entgegen, ohne es zu wollen. Für ihn ergibt Arbeit - nach europäischen Begriffen - keinen Sinn.

In Lateinamerika bewahrt die katholische Kirche dem Indio manso ein Daseinsrecht in seiner Verniedlichung. Sie stellt ihn als armes Kind hin. Die Spanier unterscheiden den Indio manso vom Indio salvajes.

Auch Yayan besteht auf den Unterschied zwischen autonom und unfrei. Er distanziert sich von seinen sanftmütigen Landsleuten auf den Missionsstationen. Sie sind Gezähmte, er ist wild. Sie haben vielleicht eine Zukunft, er hat ganz bestimmt keine. Yayan beschreibt sich mit einem pessimistischen Attributionsstil, zeigt dabei jedoch keine Unzufriedenheit. Gruffydd notiert: „Yayan und seine Leute scheinen die Weißen für Werkzeuge einer großen Zeitenwende zu halten.“

Noch hat Großbritannien nur einen Fuß in der australischen Tür. Die britischen Ansprüche sind größer als das Durchsetzungsvermögen. Chinesische Migranten graben nach Gold, und steigen mit einem Kleinvermögen in den Einzelhandel ein, während britische Großprojekte im Sande verlaufen. Das Übelste des Empires kommt in Australien zusammen, der schwache Gouverneur King wird von Bill ‚Bounty‘ Bligh* abgelöst. Massiv geht Bligh gegen die Schwarzbrennerei vor, Rum ist eine Währung in der Kolonie. Bligh hat schon vorher bewiesen, dass ihm zur Diplomatie die Voraussetzungen fehlen. Er gibt den harten Hund bis zum Anschlag und hat gleich wieder eine Meuterei am Hals. Die Meuterer setzen ihn fest, das kennt er schon.

*Als Navigator und Kartograf nahm William Bligh (1754 - 1817) auf James Cooks letzter Reise teil. Nach Cooks Ermordung auf Hawaii verlangte er das Kommando über das Flaggschiff. Die Meuterei auf der Bounty richtete sich gegen ihn. Als Gouverneur löste er eine Rum-Rebellion aus.