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2024-03-02 14:21:35, Jamal

„Alle meine Tage sind eine einzige Nacht, wenn ich daran denke.“ Britta Boerdner

Ostsee 2022 © Jamal Tuschick

Uns kann nur noch ein Unglück helfen

Gunda steht mit den intimen Gewohnheiten ihrer Chefin auf vertrautem Fuß. Bettine erleichtert sich vor ihrer Küchenhilfe. Da gibt es keine Schamgrenze. Deshalb weiß Gunda, dass die stets Herausgeputzte für Reinlichkeit wenig übrighat. Als könne sie nichts beflecken.

Mit Containern, Stein- und Schutthaufen wurde eine Kreuzung aus dem Verkehr gezogen. Die Baustelle sah aus wie ein Feldlager. Goya und Gunda liefen durch Gassen einer Budenstadt, an deren Jahrmarktsrändern ein Dorf aus gestapelten Blechschachteln lag. Auf Trampelpfaden gelangte man dahin und hinein über verwinkelte Treppen, die an Rundstiegen alter Häuser erinnerten. Greise schnürten am Krach vorbei. Vielleicht war der Krach die Musik ihres Lebens gewesen.

Zwischen niedergemachten Düsen und flachgetretenen Kippen langweilten sich Kartenspieler. Fahrzeugschnauzen fraßen sich von allen Seiten in den Betrieb. Das Vorhaben rief Spezialisten in Kitteln auf den Plan. Auch solche, die es sich erlauben konnten, in kurzen Hosen leger zu erscheinen.

Überall lag vom Alten noch. Aufgerissene Asphaltdecken, abgetragenes Kopfsteinpflaster, gesprengte Mauern. Ein funktionsbefreites Verkehrsschild stand so einsam da wie ein stehengelassener Baum. Kurz gedachte Goya jener, die im Morgengrauen am Rand der Ausfallstraßen stehengelassen worden waren. Heute nicht benötigte Ostblocker.

Ein Hammerschlag auf Holz war lauter als eine Kreissäge, die Metall schnitt. Mörtelstaub ließ den Speichel fast versiegen. Wie nützliche kleine Panzer sahen Kettenfahrzeuge aus, die im Kriechgang auf der Baustelle unterwegs waren. Der Klassiker, Mann an Schubkarre, trat selten auf.

Schattenspiele der Kranausleger, die übereinander glitten.  

Im nächsten Augenblick munkelten Gunda und Goya im Kino. Vor ihren Augen wurde eine christlich-armenische Zwangsarbeitsgemeinschaft liquidiert. Um Munition zu sparen, stach die Soldateska mit Dolchen auf die Wehrlosen ein. Die Bewaffneten sahen aus wie mexikanische Banditen zu Zapatas Zeiten.