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2024-03-15 10:18:13, Jamal

© Jamal Tuschick

Epigenetischer Telegrammstil

Nach dem Zweiten Weltkrieg werden Rhesusaffen massenhaft ihren ursprünglichen Habitaten entzogen. Man versetzt sie zu Laborzwecken nach Techniknormen in künstliche Welten. „Allein Indien“, so Wikipedia, „exportierte in den 1950er Jahren jährlich ca. 200.000 bis 250.000 Makaken.“ Für die Experimente in einem Spektrum zwischen Weltraumbesichtigung und Herztransplantation bevorzugt man „männliche Affen mittleren Alters“.

Die Spannungen, denen die Labortiere ausgeliefert sind, liegen für sie außerhalb des Erwartbaren. Die in unmenschliche Experimente eingespannten Affen machen Erfahrungen, die ihrer DNA im epigenetischen Telegrammstil eingeschrieben werden. Die terrorisierten Populationen sehen zwar so aus wie ihre Vorfahren, ticken aber anders.

Soweit nicht anders gekennzeichnet, stammen die Zitate aus: Amitava Kumar, „Am Beispiel des Affen“

Die Selektion bewirkt eine „Störung des ökologischen Gleichgewichts“. Der männlichen Funktionselite beraubt, lösen sich Familienverbände in Prozessen „chaotischer Spaltung“ auf. Von ihren Herkunftsgemeinschaften abgesprengte Primaten entwickeln Neigungen zum Vandalismus. In Indien verändern die Marodeure das Regelwerk tradierter Koexistenz. Amitava Kumars Held Kailash reist mit einer Makaken-Episode in seiner Migranten-Revue von Arrah im indischen Bundesstaat Bihar nach New York. In Amerika erzählt er den Leuten von einem Makaken, der in das Haus von Kailashs Familie eindrang und einen Revolver erbeutete. Er bedrohte eine Cousine des Erzählers, bevor er sich selbst erschoss.

Vor der Explosion sieht der Makake in die Mündung wie in einen Spiegel.

Kailash denkt auch über „die Wiederansiedlung von Wölfen im Yellowstone Park“ nach. Das Ergebnis einer Studie zerstört die Hoffnung jener Wildhüter:innen, die sich von den Beutegreifer:innen eine Verbiss-Abnahme versprachen. 

Kailash sieht ein Video mit dem Titel Wie Wölfe Flüsse verändern. Darin werden Phänomene geschildert, die den Druck der Prädatoren auf die Hirsche belegen. Die Wölfe erzeugen ein Klima der Angst zum Vorteil der Vegetation. Ihre räuberische Lebensweise erzeugt Angstlandschaften, in denen Pflanzen gedeihen.

„Entscheidend (ist) … offensichtlich gar nicht so sehr die Dichtebegrenzung … durch den Fraßdruck des Prädators …, sondern einfach die Furcht der (Beutetiere) vor den Wölfen, also eine Verhaltensänderung. “

Kumar beschreibt eine soziale Evolution. Die Angst der Hirsche gibt nicht nur Pflanzen Raum, sondern auch den Hirschen Anhaltspunkte, wie sie unter verschärften Bedingungen überleben. Die erholten Pappelbestände des Yellowstone Parks rufen Biber auf den Plan, die da weitermachen, wo die Hirsche aufgehört haben. Sie nehmen freigewordene Plätze ein.