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2024-04-12 15:52:23, Jamal

„Der Mensch ist ein Blinder, der vom Sehen träumt.“ Friedrich Hebbel

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„Mich gehen diese (römischen) Kaiser nichts an, ..., mich interessiert nur, dass sie zu Text von Tacitus geworden sind.“ Heiner Müller

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"oft genug stellt sich der wunsch erst nach seiner erfüllung als ein solcher heraus." Flaco

In den 1990er Jahren © Jamal Tuschick

Kaltherzige Tatkraft

Jahrzehnte ist die Tochter einer russischen Zwangsarbeiterin, die ihren Vater nie gesehen hat, landfahrerisch unterwegs, eine Nomadin des Unheils, die sich in Kleingärtner-Kolonien einnistet und die Unbeholfenheit randständiger Jugendlicher nutzt, um sich mit drakonischer Fürsorge eine Gefolgschaft zu sichern. Ihre Mündel verwendet sie auch zuhälterisch. Sie vermietet sie an Drücker- und Putzkolonnenführer.

Erika wirkt selbst wie eine Schwachsinnige. Sie besitzt aber eine kalte Intelligenz, die so asozial ist, dass sie als Defekt wahrgenommen wird. Mit ringkämpferischen Zugriffstechniken überwindet sie die Abwehr ihrer Opfer. Als von jedem Liebreiz befreite Vierzigjährige bewegt Erika einen schwer herzkranken Ostwestfalen, der von der Welt aus eigener Anschauung nicht mehr kennt als Mallorca und Phuket, sie erst zu heiraten und dann in einer Lebensversicherung zu begünstigen. Er stirbt erschreckend pünktlich nach Ablauf der Fristen. In den Tod folgen ihm ein vermögender niedersächsischer Briefträger im Ruhestand und ein passionierter nordhessischer Taubenzüchter, der die Mittel für ein Leben als Privatier aus Vermietung und Verpachtung gezogen hat. Die Leute im Bermudadreieck zwischen Höxter, Einbeck und Hofgeismar munkelten lange vor Erikas Verhaftung von einer schwarzen Witwe, beunruhigt wie eine Herde von der kaltherzigen Tatkraft. Verwandte der Opfer, die sich um ihr Erbe geprellt sehen, erstreiten Exhumierungen und gründliche Leichenschauen. Erika streitet das Offensichtliche ab.