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2024-07-31 07:08:49, Jamal

Der Sprachmeister - Die Kunst der Manifestation

Der Sprachmeister ist ein historischer Titel. Seit der Berufung des ersten Professors für neue Sprachen an die Landgraf-Carl-Universität in  der nordhessischen Kleinstadt Ederthal firmiert der Leiter des Germanistischen Seminars in einem klandestinen Ritus als "Sprachmeister". Zu den Insignien seiner Autorität gehören Zeichen und Geräte, die an Freimaurer-Praktiken erinnern. Der Sprachmeister-Kult hat aber einen anderen Ursprung, der im Verlauf des Romans aufgedeckt wird. Der amtierende Sprachmeister heißt Cornelius Blattschneider. Ihm begegnet in der Gestalt der Post-Doc-Stipendiatin Nana von Eisenreich eine Unsterbliche.

The Language Master – The Art of Manifestation

The language master is a historical title. Since the appointment of the first professor for new languages ​​at the Landgraf Carl University in the small town of Ederthal in northern Hesse, the head of the German department has been known as the "language master" in a clandestine ritual. The insignia of his authority include symbols and devices reminiscent of Masonic practices. The language master cult, however, has a different origin, which is revealed in the course of the novel. The incumbent language master is called Cornelius Blattschneider. He meets an immortal in the form of the post-doc scholarship holder Nana von Eisenreich.

Erotisches Arrondissement

Nicht Jane Austen oder eine Brontë-Schwester brachte Dyani Silver auf den Geschmack einer blaustrümpfigen Existenz. Thomas Hardy, ein englischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, der schließlich nur noch Gedichte schrieb, gibt ihren Sehnsüchten die richtigen Betonungen.

Dyani studiert Literaturwissenschaften und jobbt altmodisch in einem Heimwerkerparadies. Sie fährt einen Käfer, sie hat eine exzentrische, zum vierten Mal verheiratete Mom. Eine Mom, die verliebt sein muss, weil das ihr Kick ist. Eine unzuverlässige, aber garantiert enttäuschende Mom. Diese Mom lebt in Austin, Texas. Taucht sie auf der Leinwand auf, sieht man vor allem einen Mund.

Dyani bewahrt sich in Erwartung des Richtigen. Ständig beißt sie sich in die Unterlippe. Sie trägt Kleider, die zu ihrem Käfer passen. Zweifelllos guckt sie gern 1970er Jahre-Filme im Stil der „Love Story“.

Dyani wohnt mit einer Person zusammen, die ihre Gutmütigkeit auf die Probe stellt. Jeanne Tautou spielt Dyani. Nana sitzt retro-schick neben Branwell im Kino. Sie ist die Vintage-affine Intellektuelle mit dem klandestinen Sex-Appeal in echt. Sie erlebt und genießt Sex auf einer autonomen Linie. Gleichzeitig reizen sie Sujets, die dem männlichen Blick zugeordnet werden und Verletzungen der Spielregeln implizieren. Sie reagiert auf Pornografie ohne innere Widerstände. Gefällt ihr etwas nicht, ist es schlecht gespielt. Alles ist Spiel und basiert auf Übereinkünfte, deren Voraussetzungen die Beteiligten zur Einhaltung der Regeln zwingt. 

Nana verlässt nie die Räume ihrer Klasse. Sie bleibt in dem sozialen Rahmen ihrer Herkunft, ohne das je zu bedenken. Jedes erotische Arrondissement entsteht aus Geld, Bildung, Zugehörigkeit. Nana entledigt sich einer Handvoll schwarzer Spitze. Branwell nimmt die Sache wie ein Pfand entgegen. Er stopft er es in die Tasche für das pochette de costume. Tecumseh Lighthouse spielt den bildungsbürgerlich Klavier spielenden, jedoch prekär geborenen Beauregard Isherwood. Die von ihm soeben deflorierte Dyani hat beim Vorspiel das Klavier berührt und die Frage aufgeworfen: „Spielst du?“ Um sich selbst zu antworten: „Natürlich spielst du.“ Jetzt weiß sie auch, was hinter dem Spiel steckt. „Du hast es gelernt, um den Leuten zu gefallen, die dich aufziehen sollten.“ Ganz schön clever. Dyani analytische Schlagfertigkeit schält Beauregard aus seinem Panzer. Als Jugendlicher wurde er von einer Älteren missbraucht und deutete das als Initiation um. Vermutlich drückte die Frau auch Kippen auf seiner Brust aus. Das würde Narben erklären. Die Domina gab Beauregards Präferenzen die Richtung. Seine Gespielinnen müssen eine Verschwiegenheitserklärung abgeben und einen Vertrag unterschreiben, der den Geschlechtsverkehr regelt. Dyani ist die 19. Vertragspartnerin und in dieser Eigenschaft sperriger als ihre Vorgängerinnen.

Nana glaubt nicht an Verschwiegenheit. Und doch lebt sie nicht unter dem Damoklesschwert ihrer Bloßstellung. Ihr kann nichts passieren, wenn sie nur bestimmte Sicherheitsmaßnahmen nicht außer Acht lässt. Was sie für ihre Lust braucht, geschieht in den Geschichten, die sie sich erzählt. Nanas Vorstellungskraft wird wenig abverlangt, da Branwells Begehren sich nicht in den Auffaltungen einer bürgerlichen Existenz verstecken kann.