MenuMENU

zurück

2024-08-14 19:13:57, Jamal

Die Jagdhütte am Alten Mecklenburger Weg im Darßer Urwald. Die Gegend heißt Buchhorster Maase. Hermann Göring und Erich Honecker haben hier gejagt. Die DDR hatte 18 Staatsjagdgebiete. © Jamal Tuschick

Deckgebirge der Verheißung

1950 wird Rüdiger Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschland. Er heiratet in eine kommunistische Familie ein, von Marx und Lenin so begeistert wie von der Braut. Er lebt vom Schmuggel an der belgischen Kaffeegrenze und gilt als Meister seines Fachs. Immer wieder entgeht er den Zöllnern, mit Finten, die zu Schoten in den Kneipen an der Grenze werden. Sein Einfallsreichtum ist legendär. KPD-Führer Max Reimann setzt den Haudegen als Fahrer ein. An Rüdigers Finesse tropft der Verfassungsschutz ab, der Reimann auf den Fersen bleibt, es sei denn, Rüdiger fährt. 1956 wird die KPD verboten, die Parteispitze versinkt im Untergrund. Jetzt braucht sie umso mehr Leute wie Rüdiger, sie schickt ihn auf die Ernst Thälmann-Schule von Groß Dölln in der Uckermark. Da erlernt er den Beruf des illegalen Parteigängers. Dieses Berufsbild vereint von der Herstellung und Verbreitung verbotener Flugschriften über die Kniffe des verdeckten Fotografierens bis zur Präparation toter Briefkästen das Handwerk und die Kunst des Täuschens und Tarnens.

Nach den (in der DDR gültigen) Lehren des Historischen Materialismus ist der Geschichtsverlauf unumkehrbar. Unaufhaltsam strömt er dem Kommunismus entgegen. DDR-Dichter wie Volker Braun arbeiten „gegen die Deckgebirge der Verheißung“. „Und wenn Sie mich nach einer Moral fragen, dann wäre die Blochsche Formulierung über die moralische Überlegenheit des Kommunismus auch meine: Der Kommunismus hat für den einzelnen keine Hoffnung. Aber das ganze System der Marktwirtschaft beruht darauf, dem einzelnen zu suggerieren, dass gerade er eine Hoffnung hat.“

Heiner Müller verbindet den Mercedesstern über Westberlin mit herausgeschlagenem Zahngold. Die Geschichte findet statt „zwischen Gewalt und Vergessen.“ „Heimat ist, wo die Rechnungen ankommen.“

Wieder in der Bundesrepublik avanciert Rüdiger zum Funktionär der illegalen KPD. Er wird ihr Zuchtmeister. Rüdiger vermisst Linientreue. Als Gralshüter der reinen Lehre ahndet er politische Verfehlungen der Genossen. 1968 kehrt die KPD als DKP in die bundesdeutsche Legalität zurück, Rüdiger bleibt im Untergrund. So will es die große Bruderpartei SED. Rüdigers Weltbild wandelt sich, er nähert sich dem Standpunkt des Gegners im Klassenkampf. Unregelmäßigkeiten in seinem Abdeckungsberuf als Versicherungsvertreter machen ihn anfällig für ein Angebot der Gegenseite. Nun spioniert er für den Verfassungsschutz - und für die Stasi, die ihn auch auf die DKP ansetzt. Rüdiger kriegt einen Drehwurm in den Mühlen der Dienste.