Büffel am Bodden © Jamal Tuschick
Ewig taumeln wir auf der Abbruchkante der Geschichte
Seine Habseligkeiten behält er im Blick. Volker Braun nennt das „die Habsucht der Augen“. Er sperrt das Allgemeine aus, auch wenn man doch (wie alle) mit der Mode geht; und sei es nur, um das Verhängnis zu tragen; über die „Abbruchkante der Geschichte“ hinaus, in die „Verwerfung“.
Volker Braun, „Handstreiche“, Suhrkamp
Die Aphorismen des Brechtschülers sind aus gröberen Klötzen herausgeschnittene, ziselierte und polierte Kleinode nicht nur des geschulten Denkens. Brecht unterwies seine Schüler in der Kunst, Sonette aus den Ärmeln zu schütteln. Es gab in den tiefen Lagen des Berliner Ensembles kollektive Reimtermine. Prägend dazu kam für Braun die Sächsische Dichterschule mit ihren protestantisch-monologischen Zwiegesprächen. Man berief sich auf die Toten. Ich nenne Klopstock.
Man nahm sich ernst. Als Dichter in der Deutschen Demokratischen Republik war man politisch. Das scheint jetzt durch die Verse als immaterielles Erbe eines gescheiterten Staates, dessen Ideen in Hoffnungen überleben.
Die DDR-Dichter hatten potente Leser. Nach 1989 gerieten sie in einen Sog der Bedeutungsverluste und der Verdächtigungen.
Braun schreitet auf dem Papier auf, er eskaliert am Schreibtisch. Er wirft sich in einen Harnisch der Sprache.
„Nur der Liebende lernt seine Lektion“ schreibt Braun über Rimbaud. Er setzt das Trunkene Schiff auf den Müggelsee. Stranden lässt er es in der preußischen Prärie.
„Ich lasse das Chaos arbeiten“, sagt der Dichter.
„Poesie ist eine Gegensprache und ist sie weiter nichts, dann ist sie eine Grimasse.“
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Cornelius sitzt an seinem Institutsschreibtisch. Vor dem Fenster prunken drei Eichen nicht zuletzt als Evokationsgaranten druidischer Phantasien. Den Bäumen sagt man ein sagenhaftes Alter nach. Manchmal begibt sich der Unsterbliche nachts in ihren Bannkreis und liefert sich magischen Heimsuchungen aus. Er schmiegt sich an eine Eiche, sich ihr verwandter fühlend als jedem Menschen. Die mythische Dimension seiner Existenz offenbart sich Cornelius im Wispern der Elemente. Er ist nicht ganz von dieser Welt. Etwas Unheimliches belauert ihn, so fühlt es Cornelius seit Jahrhunderten. Manchmal ist ihm, als sei er aus hessischer Erde gemacht; als sei er ein Kobold, die Spielfigur eines Fürsten der Geisterwelt. Und dann ist er wieder der Fürst selbst oder auch nur ein Verirrter im heimatlichen Urwald; ein Hänsel ohne leidensgenossenschaftlichen Zuspruch, der von einer stummen Köhlerin umgarnt wird. Die Verworfene entpuppt sich als geächtete Prinzessin, die sich vor ihren machtgeilen Schwestern verbergen muss. Cornelius-Hänsel verspricht der ins Elend gefallenen Edlen seine Unterstützung. Zum Dank …