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2024-08-18 08:45:00, Jamal

Die Neuerfindung Amerikas im Geiste Humboldts

„Der Erwerb von Land ist in Ostafrika sehr leicht … Für ein paar Flinten besorgt man sich ein Papier mit einigen N...kreuzen.“ Bismarck

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Der Kolonialismus war ein „europäisches Projekt“ (Joseph Conrad), dass die Fugger und Welser genauso vorantrieben wie die Medici und die Kaufleute der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Die Trennungen zwischen staatlichen und privaten Unternehmungen waren durchlässig. Kaufleute traten als Statthalter auf und nahmen Regierungsaufgaben wahr.

Die Gewalt der Sprache - Edward Said hebt den Feldzugcharakter überseeischer Benennungskampagnen hervor. Die christliche Namensgebung richtete sich Kultur vernichtend gegen Kolonisierte auch noch in der Prägung von Landschaftsbegriffen. Höhen und Täler verloren ihre ursprünglichen Bezeichnungen oft an Verballhornungen, in denen sich Spott, Hohn oder Gleichgültigkeit aussprachen. Es gab keinen Unterschied zwischen Bekehrten und Besiegten, insofern alle Bekehrten Besiegte waren.

In der emanzipierten Perspektive erscheint Alexander von Humboldts „Neuerfindung Amerikas“ als Angelegenheit im kolonialen Kontext. Humboldt bemerkt auf „den venezolanischen Ebenen“ kein Denkmal einer vergangenen gesellschaftlichen Epoche. Der besichtigte Raum erfährt eine ignorante Gleichsetzung mit der Natur. Allein die Natur liefert Schauspiele.

Der von Humboldt erforschte „Erdwinkel“ liegt allen geschichtsmächtigen Kräften fern. Die Eingriffe der Eingesessenen verändern kaum ihre Umgebung. Die ethnische Diversität in den lateinamerikanischen Städten bietet Gelegenheit, den Leser zu erheitern. Die Ureinwohner vegetieren dahin. Humboldts „Neuerfindung Lateinamerikas … als quasi unberührte Natur“ mobilisierte in Deutschland „eine erhebliche Entdeckerenergie“ (Zitate von Mark Terkessidis). Der Furor kam aus Verfügungsphantasien. Der Besitz von Sklaven und die Inbesitznahme von Bodenschätzen reizte. Vielleicht hat sich der ganze Kolonialplunder auch deshalb so eingenistet, weil sich damit die Verwandlung von einem gemeinen Mann in einen Herrscher zumindest als Vorstellung verbinden ließ.

Die kolonialen Abenteuer des 19. Jahrhunderts waren Zeitreisen zu Anfängen, über deren historische Einordnung gestritten wurde - nur ganz bestimmt nicht mit den Gastgebern. Deren Bedeutung erschöpfte sich darin, Gegenstände von Betrachtungen und Maßnahmen zu sein. Unter günstigen Umständen befanden sie sich in Mündelpositionen.

Vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 konferierten im Reichskanzlerpalais Delegierte aus dreizehn Staaten, die einer Einladung des Reichskanzlers Otto von Bismarck gefolgt waren. Auf der Berliner Konferenz aka West Africa Conference aka Congo Conference legten sie die Kriterien für die völkerrechtliche Anerkennung von Kolonialbesitz fest. Bismarck prägte das Wort vom „Platz an der Sonne“, den sich Deutschland im kolonialen Wettbewerb mit den europäischen Großmächten und dem Osmanischen Reich sichern müsse. Der deutsche Platz an der Sonne war klein und wurde nicht lange gehalten. Das rechnet man heute zu den entlastenden Momenten deutscher Geschichte. Die Einschätzung ignoriert einen Völkermord und vernachlässigt die Tatsache, dass Deutsche seit dem 15. Jahrhundert an globalen Ausbeutungsfeldzügen beteiligt waren.