Mimischer Einwand
Bemerkungen zu Sigmund Freuds fleißig gesammelten und in Spielarten anekdotischer Evidenz illustrierten „Beispielen von Versprechen“ - Freud entdeckte den „störenden Einfluss von etwas außerhalb der intendierten Rede“, so wie ein unbewusst gebliebener Gedanke, der sich vorgeblich zusammenhanglos einmischt. Er erzählt von seiner Tochter. Noch ist Anna ein kleines Mädchen, und niemand weiß, dass sie ihre eigene Gravitation im epochalen Maßstab haben wird - ein Königreich des avancierten Selbst. Anna „schneidet ein garstiges Gesicht“ beim Biss in einen Apfel. Der Vater will den mimischen Einwand mit einem Reim quittieren:
„Der Affe gar possierlich ist, zumal wenn er vom Apfel frisst.“
Freud kommt über Apfe nicht hinaus. Er doziert über den Wortbruch: „Dies scheint eine Kontamination von Affe und Apfel (Kompromissbildung) oder kann auch als Antizipation des vorbereiteten Apfels aufgefasst werden.“
Eine Wienerin möchte die Kritik an ihrer Familie mit einem Kompliment kaschieren. Doch offenbart sich die Abwehr im Versprechen. Freuds Patientin sagt, was sie meint, aber nicht zugeben will: „Man muss ihnen das eine lassen: sie haben alle Geiz“ (statt Geist).
Schön finde ich ferner den gescheiterten Versuch, der absichtlichen Zurückhaltung einer - nach den Begriffen der Zeit - Schlüpfrigkeit. Eine Touristin in den Dolomiten stellt im Rapport die Genüsse über die Entbehrung, dabei ihre Erfahrungen verleugnend. Die Urlaubsmärsche strapazieren sie. Angenehm wird es erst, wenn sie die „durchgeschwitzten“ Sachen ablegen kann. Ihren Darstellungsabsichten entsprechend, zählt sie Hemd und Bluse auf. Zurück hält sie Hose. Doch rutscht die Hose im nächsten Satz heraus: „Wenn man dann aber noch Hose kommt.“
Freud unterstellt der Sprecherin, dass sie Hose als „Verunstaltung“ von nach Hause erlebt. Die phonetische Nähe von Geist und Geiz, Hose und Haus lockt mich auf eine Rennbahn des Assoziativen. Freud kommt mir wie ein erfreulich indiskreter, vor allem jedoch phantasievoller Erzähler vor.
„Die gute Beziehung zwischen dem Namen Klapperschlange und Kleopatra erzeugt bei (einer Patientin) eine momentane Einschränkung des Urteils.“ Ausgangspunkt der Deutung ist ein Traum, in dem ein Kind beschließt, „sein Leben durch einen Klapperschlangenbiss enden (zu lassen)“. Die Patientin rahmt ihre Schilderung mit Theaterbegriffen. Daraus schließt Freud, dass der Satz „Das Kind hat beschlossen, sein Leben durch einen Schlangenbiss enden“ in Wahrheit bedeutet: „Die Patientin hat sich als Kind vorgenommen, eine berühmte Schauspielerin zu werden.“ Die Patientin erwähnt ein zu ihrer Zeit bereits abgegriffenes und überholtes Trauerspiel von Adolf von Wilbrandt - Arria und Messalina. In der Deutung des Analytikers covert Messalina eine von der Patientin befürchtete Mesalliance ihres Bruders. Zitiert aus „Zur Psychopathologie des Alltagslebens“.